Dunkle Umarmung
Hunde, die es sich an einem sonnigen Fleckchen bequem gemacht hatten, sprangen auf und bellten aufgeregt.
»Das sind Kasey und Brutus«, sagte Luke. »Meine Hunde.
Und hier bin ich zu Hause.«
Zu Hause! dachte ich. Die Hütte war aus alten Holzstämmen mit zahllosen knorrigen Astlöchern gebaut. Das Dach bestand aus verrostetem Blech. Die Hütte hatte Dachrinnen mit Fallrohren und Regenfässern, und mir wurde klar, daß sie wirklich dazu dienten, Wasser darin zu sammeln.
Über die Vorderfront der Hütte zog sich eine schiefe, baufällige Veranda, auf der zwei Schaukelstühle standen. Ein Mann, den ich mühelos als Lukes Vater erkennen konnte, saß mit einem Banjo auf dem Schoß da. Er hatte pechschwarzes Haar und dunkle Haut, und er wirkte zwar, als hätte er ein hartes Leben hinter sich, aber sein Gesicht wies nach wie vor schöne Züge auf – eine gerade römische Nase, ausgeprägte Wangenknochen und ein festes Kinn. Er wirkte derb, aber als er Luke sah, lächelte er sanft und liebevoll.
Die Frau, die neben ihm saß und häkelte, wirkte wesentlich strenger. Sie hatte ihr langes Haar zu einem Pferdeschwanz zurückgebunden, der ihr auf den Rücken fiel. Sie schien etwa so alt wie meine Mutter zu sein, aber als ich sie genauer betrachtete, merkte ich, daß sie viel älter aussah. Ich sah, daß ihr etliche Zähne fehlten und daß sie Falten um die Augen und auf den Schläfen hatte. Die Furchen auf ihrer Stirn waren tief und deutlich zu sehen.
Lukes Mutter mußte einmal eine sehr hübsche Frau gewesen sein. Sie hatte Lukes dunkle Augen, und wenn ihr Haar auch von grauen Strähnen durchsetzt war, schimmerte es doch seidenweich. Sie machte einen stolzen und entschlossenen Eindruck. Sie war fast so groß wie Luke. Ich sah, daß ihre Hände rauh und männlich wirkten, weil sie ihre Fingernägel kurz geschnitten und Schwielen auf den Händen hatte.
»Ma!« rief Luke und sprang aus dem Lastwagen. Sie umarmte ihn heftig. Mütterlicher Stolz und Freude strahlten in ihren Augen. Lukes Vater legte das Banjo auf den Schaukelstuhl und sprang schnell die Stufen von der Veranda herunter, um seinen Sohn zu begrüßen und zu umarmen.
»Hallo, Luke«, sagte sein Vater. »Diesmal habe ich dich nicht so schnell zurückerwartet. Wieso hast du es dir anders überlegt?« fragte er und ließ seine Hände immer noch auf Lukes Schultern liegen.
»Wegen Angel«, sagte Luke.
»Angel?«
Lukes Eltern drehten sich zu mir um.
»Angel, komm raus, und sag Ma und Pa guten Tag. Ma«, fuhr Luke fort, während ich aus dem Wagen stieg, »ich möchte dir meine Frau vorstellen, Angel.«
»Deine Frau!« rief seine Mutter aus. Sie musterte mich von Kopf bis Fuß, als ich näher kam, und ihr ungläubiger Ausdruck wurde von der Enttäuschung abgelöst, die sich auf ihrem Gesicht breitmachte. »Ist sie nicht etwas zu jung und zu zerbrechlich für das Leben hier?« fragte sie. Ich blieb vor ihr und Lukes Vater stehen und wartete darauf, daß er mich vorstellen würde.
»Angel, ich möchte dir meine Ma Annie und meinen Pa Toby Casteel vorstellen. Ma, das ist mein Engel. Mit richtigen Namen heißt sie Leigh, aber ich finde, Angel paßt besser zu ihr.«
»Ach ja?« sagte seine Mutter und sah mich immer noch ungläubig an.
»Willkommen bei uns zu Hause«, sagte sein Vater und umarmte mich.
»Wann hast du denn das getan, Luke?« fragte seine Mutter und starrte mich weiterhin an.
»Gestern in Atlanta. Wir haben uns getroffen und uns sofort verliebt. Wir sind vom Friedensrichter getraut worden, alles wie es sich gehört, und wir hatten die größte und beste Hochzeitsgesellschaft, die ihr je gesehen habt – alle meine Freunde vom Zirkus. Stimmt’s, Angel?«
»Ja«, nickte ich. Ich war schrecklich gehemmt, weil Lukes Mutter mich immer noch ungeniert anstarrte. Jede Mutter wäre argwöhnisch gewesen und hätte die Frau kritisch betrachtet, die ihr Sohn nach Hause mitbrachte, dachte ich, aber Lukes Mutter schien schockiert und enttäuscht zu sein.
»Wie alt bist du?« fragte sie mich.
»Ich bin fast vierzehn«, antwortete ich. Ich spürte, wie die Tränen in meine Augen traten. Sogar hier, in der ärmsten Gegend auf Erden, hatten die Leute etwas an mir auszusetzen.
»Dein Alter ist nicht das Problem«, meinte Lukes Mutter,
»aber man braucht eine Menge Mumm, um hier zu leben, Kind. Zeig mir mal deine Hände«, forderte sie mich auf. Sie nahm meine Hände und drehte sie um. Sie fuhr mit ihren schwieligen Fingern über meine zarten Handflächen und
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