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Dunkle Umarmung

Dunkle Umarmung

Titel: Dunkle Umarmung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: V.C. Andrews
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Blicke stellte ich fest, daß man sich mühelos mit Annie Casteel unterhalten konnte. Sie hörte wirklich zu, wenn ich etwas sagte, und sie lauschte mit Interesse und einem Ausdruck des Erstaunens auf dem Gesicht, als ich ihr meine Lebensgeschichte erzählte. Natürlich sagte ich ihr nicht, daß Tony mich vergewaltigt hatte. Luke wollte, daß ich das Geheimnis meiner Schwangerschaft vor seinen eigenen Eltern bewahrte. Annie wollte wissen, warum ich fortgelaufen war, und ich erklärte, daß der neue Ehemann meiner Mutter Annäherungsversuche unternommen hatte und daß meine Mutter mir die Schuld daran gegeben hatte.
    »Ohne einen Daddy, der sich um mich kümmert, und mit einer Mutter, die mir nicht glaubt, habe ich mich so einsam und allein gefühlt, daß ich beschlossen habe, fortzulaufen. Ich war auf dem Weg zu meiner Großmutter, als ich Luke getroffen und mich in ihn verliebt habe«, erklärte ich. Sie nickte und reichte mir die Karotten zum Abschaben und waschen. Als ich ihr aber von den Puppen und von Angel erzählte, bestand sie darauf, daß ich die Arbeit augenblicklich niederlegen und Angel aus meinem Koffer hole, damit sie endlich einmal etwas so Schönes und Kostbares zu sehen bekam. Ihre Augen strahlten vor Freude.
    »Als ich ein kleines Mädchen war, mußte mir mein Pa eine Puppe aus einem dicken Ast schnitzen. Ich habe nie etwas Zartes und Reizvolles besessen, und so was habe ich noch nie gesehen, auch nicht unten in Winnerrow in den Schaufensterauslagen. Und als ich dann verheiratet war, hatte ich keinen Grund, eine Puppe zu kaufen, weil ich sechs Jungen und kein Mädchen bekommen habe. Nach einer Weile habe ich den Versuch aufgegeben, ein Mädchen zu bekommen. Ich hoffe, wenn ihr ein Baby kriegt, du und Luke, wird es ein Mädchen«, sagte sie, und ich merkte, daß diese derbe, harte Frau so sanft und zart wie jede andere Frau sein konnte. Es tat mir leid für sie, daß ihr Leben so schwer war.
    »Das hoffe ich auch, Mrs. Casteel«, sagte ich. Sie starrte mich einen Moment lang an, ehe sie etwas sagte.
    »Du sagst Ma zu mir«, bestimmte sie, und ich lächelte. »Und jetzt wollen wir diesen Eintopf aufsetzen. So wie ich die beiden kenne, werden sie eher nach dem Essen schreien wie störrische Maultiere, als man es glauben sollte.«
    »Ja, Ma.«
    Zum ersten Mal in meinem Leben benutzte ich ein Plumpsklo, und dann setzte ich mich an den kleinen Eßtisch und aß etwas, wovon ich im Traum nicht geglaubt hatte, daß ich es herunterbringen könnte. Aber es schmeckte köstlich.
    Nach dem Essen spielte Pa auf seinem Banjo, und Luke und er sangen alte Lieder aus den Bergen und tranken schwarzgebrannten Whisky. Ich sah, daß sie beide schon einen kleinen Schwips hatten. Pa zog Luke auf die Füße, damit er tanzte, und dann legte er selbst auch einen Tanz hin. Nach einer Weile schimpfte Ma sie aus, sie sollten nicht so dummes Zeug machen. Luke warf mir einen schnellen Blick zu, und ich schüttelte den Kopf. Das reichte aus, um ihn sofort zu ernüchtern.
    Kurz bevor wir ins Bett gingen, setzten Luke und ich uns noch auf die Veranda und lauschten den Geräuschen des Waldes – den Schreien der Eulen, dem Heulen der Kojoten und dem Quaken der Frösche aus den Sümpfen. Es gab mir wirklich ein Gefühl von Frieden und Geborgenheit, mit Luke dazusitzen, seine Hand zu halten und zu den Sternen aufzublicken, obwohl ich Meilen von der Zivilisation entfernt war, die ich kannte, und in einer Hütte lebte.
    Als wir gemeinsam unter die Decke krochen, umarmte ich Luke und küßte ihn liebevoll. Er war erregt, aber er hielt sich zurück.
    »Nein, Angel«, flüsterte er. »Wir werden warten, bis du das Baby bekommen hast und ich dir ein ordentliches Zuhause bieten kann, in dem wir weitab von den Ohren anderer schlafen und uns lieben können.«
    Ich wußte, was er meinte. Die alten Sprungfedern quietschten schon, wenn wir uns nur umdrehten. Auf der anderen Seite des Vorhangs schnarchte Pa, und unter dem Holzfußboden schnaubten die Schweine, und die Hunde winselten, wie Ma es angekündigt hatte. Etwas kratzte am Holz. Ich hörte eine Katze fauchen, und dann war alles so still, wie es nur sein konnte, wenn der Wind durch die Bäume und die Ritzen im Boden und in den Wänden der kleinen Hütte pfiff. Pas schwarzgebrannter Whisky ließ Luke sehr schnell einschlafen. Bei mir dauerte es etwas länger, aber schließlich schloß ich die Augen und schlief.
    Am Morgen stand Luke früh, aber frisch und ausgeruht auf und fuhr nach Winnerrow,

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