Dunkle Umarmung
Dann sprang er aus dem Wagen und ließ die Tür hinter sich offenstehen. Er preßte eine Sechserpackung Bier an sich, aber drei der Flaschen waren schon geleert.
»Wir haben Grund zum Feiern«, rief er und lachte.
»Was zum Teufel…«, sagte Pa.
»Zum Henker mit dem Kerl!« fauchte Ma.
Luke wankte umher und lächelte blöde. Dann sah er uns drei endlich genauer an.
»Was zum…« Er deutete auf uns, als stünde jemand neben ihm. »Sieh dir die bloß an… was zum… ach so, ihr feiert auch alle.«
»Luke Casteel«, sagte ich und stemmte die Hände in die Hüften. »Wie kannst du es wagen, so nach Hause zu kommen?
Erstens hättest du mit dem Lastwagen vom Weg abkommen und verunglücken können, und jetzt siehst du auch noch so dämlich aus, daß ich heulen könnte.«
»He?«
»Gib’s ihm«, spornte Ma mich an.
»Wir bemühen uns hier, um alles schön zu machen, und dann kommst du betrunken nach Hause.« Ich drehte mich hastig um.
Tränen strömten über mein Gesicht, als ich in die Hütte stürmte.
Ich ließ mich auf unsere Matratze fallen und weinte. Kurz darauf folgte mir ein wesentlich nüchternerer Luke Casteel. Er kniete sich neben mich hin und strich mir übers Haar.
»O Angel«, sagte er. »Ich habe mich doch nur für uns gefreut und wollte feiern. Ich habe die Arbeit bekommen und zudem noch herausgefunden, daß ich verbilligtes Bauholz kaufen kann.«
»Das ist mir ganz egal, Luke. Wenn du etwas zu feiern hast, dann solltest du warten und es mit uns zusammen feiern. Ich habe dir doch schon gesagt, daß mir das viele Bier Sorgen macht, und du hast mir versprochen, weniger zu trinken. Und jetzt muß das passieren.«
»Ich weiß, ich weiß. Oh, es tut mir so leid«, stammelte er.
»Ich werde die übrigen Bierdosen nehmen und sie vom Berg werfen«, gelobte er. »Und wenn du mir nicht verzeihst, stürze ich mich gleich hinterher.«
»Luke Casteel«, schrie ich und drehte mich zu ihm um. »Sag nie so etwas. Niemals!« Meine Augen sprühten Funken. Ich konnte sehen, wie sehr ihn das überraschte.
»Junge, bist du schön, wenn du wirklich wütend wirst«, sagte er. »Ich habe dich noch nie so wütend gesehen, aber ich will dich nicht wütend machen. Ich verspreche es dir.« Er hob die Hand. »Ich werde nicht mehr trinken und dann Auto fahren.
Gibst du mir noch eine Chance?«
»O Luke Casteel, du weißt doch genau, daß ich dir eine Chance gebe«, sagte ich, und wir fielen uns in die Arme und küßten uns.
»Ich habe etwas Bauholz im Lastwagen«, sagte er. »Und ich werde auf der Stelle anfangen, dir einen Abort zu bauen.«
Ich folgte ihm vors Haus und sah zu, wie er das Holz ablud.
Ma warf mir einen beifälligen Blick zu, weil ich ihn so schnell ernüchtert hatte. Dann wandte sie sich an Luke.
»Wofür ist das Holz da?« fragte sie ihn.
»Für Angels Toilette«, sagte er, und das brachte Ma und Pa Casteel zum Lachen.
»Na los, macht euch ruhig über mich lustig«, rief Luke, »aber wenn ihr das Ergebnis seht, werdet ihr nicht mehr lachen.«
Luke baute wirklich das schönste Plumpsklo, das man sich denken konnte. Hinterher strich er es weiß und bestand darauf, daß wir es nicht Abort, sondern Toilette nannten. Ma zog ihn bei jeder sich bietenden Gelegenheit damit auf.
»Ich suche jetzt meinen Abort auf. Ich meine natürlich, die Toilette«, sagte sie immer wieder, und dann wandte Luke den Blick von ihr ab und schüttelte den Kopf.
Es wurde Herbst. Luke nahm Reparaturen an der Hütte vor und probierte einiges aus, was er in seiner Schreinerlehre lernte. Er baute Ma ein paar Schränke und Regale und besserte die Veranda und die Stufen zur Veranda aus, um beides stabiler zu machen. Er schloß manche der Ritzen im Boden und in den Wänden, aber seine Arbeit in der Stadt nahm immer mehr von seiner Zeit in Anspruch. Schon bald kam er erst nach Einbruch der Dunkelheit nach Hause und war todmüde, fast zu müde, um noch zu Abend zu essen. Manchmal roch sein Atem nach Whisky. Immer, wenn ich ihn darauf ansprach, behauptete er, nur einen kleinen Schluck getrunken zu haben, um den Tag zu überstehen.
»Er versucht, mir die Arbeit von zwei Männern aufzubrummen, Angel«, klagte er eines Abends nach dem Essen. Wir machten einen Spaziergang auf einem Pfad durch die Wälder, der zu einem Kamm führte, von dem aus man auf das Tal hinunterschauen konnte. Es war ein atemberaubender Ausblick. Wir konnten meilenweit die Lichter in den Häusern sehen. »Alle Geschäftsleute in Winnerrow nutzen die Leute aus
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