Dunkle Verlockung (German Edition)
Augen ihr Saraia aus den Armen nahm, um das Mädchen zu seinen Freunden auf den Zaun vor ihnen zu setzen. »Und warum legt er sich mit Dmitri an?« Selbst während sie sprach, wandte sie den Blick nicht von diesem Engel ab, der aussah, als wäre er im Hinterzimmer einer heruntergekommenen Vampirkneipe zu Hause.
Illiums Flügel streiften die ihren, als er sich mit den Armen auf dem Zaun abstützte. Es war eine überaus intime Bewegung, doch Jessamy wies ihn nicht zurecht. In dieser Berührung lag kein Hintergedanke, nichts außer einer in der Kindheit verwurzelten Zuneigung: Für ihn würde sie immer die Lehrerin sein, die gedroht hatte, ihn an einem Stuhl festzubinden, wenn er nicht aufhörte herumzuzappeln, anstatt seine Geschichtsbücher zu lesen.
»Galen«, sagte er, »ist einer von Titus’ Männern.«
»Das überrascht mich nicht.« Titus war ein kriegerischer Erzengel, der sich nirgends so sehr zu Hause fühlte wie inmitten des Blutes und dem Wüten einer Schlacht, und auch dieser Galen war wie für den Kampf geschaffen: nichts als geschmeidige Muskeln und rohe Kraft.
Als eindeutigen Beweis für seine Stärke fing er gerade einen Hieb ab und trat im selben Augenblick nach Dmitris Knie. Der Vampir grunzte, fluchte und konnte nur knapp einem Schlag mit der Breitseite von Galens Klinge ausweichen, die ihm mit Sicherheit einen schweren, dunklen Bluterguss eingebracht hätte. Offenbar versuchten sie also nicht ernsthaft, sich gegenseitig umzubringen.
Als Saraia in die Hände klatschte, legte Illium einen Arm um sie, um ihr Halt zu geben, ehe er fortfuhr: »Er möchte in Raphaels Territorium überwechseln.«
Jetzt verstand sie. Raphael war erst vor hundert Jahren Erzengel geworden. Unter diesen Umständen war sein Hof noch im Entstehen begriffen, eine Einheit, die gerade ihre Form annahm. Es gab folglich noch Raum, um starke Engel zu integrieren, die sich an ihren älteren Höfen langweilten oder nicht ausgelastet fühlten. »Hat Raphael keine Bedenken, dass er ein Spion sein könnte?« Die Erzengel, die im Kader der Zehn über die Welt herrschten, gingen bei der Verfolgung ihrer Ziele ohne Skrupel vor.
»Auch wenn Raphael nicht selbst Spione hätte, die sich für Galen verbürgen«, sagte Illium mit seinem ansteckenden Grinsen, bei dem sie beinahe unmöglich hatte ernst bleiben können, wenn sie ihn als Kind zurechtgewiesen hatte, »ist er nicht der Typ, der gut lügen könnte. Ich glaube kaum, dass er die Bedeutung des Wortes ›subtil‹ kennt.«
Ein dröhnender Schlag mit der flachen Klingenseite auf Dmitris Wange, ein Tritt in den Bauch, und plötzlich hatte Galen die Oberhand, die Spitze seines Breitschwerts saß an Dmitris Kehlkopf, während der Vampir schwer atmend auf dem Rücken am Boden lag. »Ergib dich.«
Dmitri blickte Galen ohne zu blinzeln in die Augen, und das gnadenlose Raubtier, das unter der kultivierten Oberfläche des Vampirs lebte, war nun deutlich zu erkennen. Doch als er sprach, war seine Stimme ein behäbiges Schnurren, so träge wie ein Sommernachmittag. »Du hast Glück, dass die Kleinen zugucken.«
Galen zuckte mit keiner Wimper, er war vollkommen konzentriert.
Dmitris Lippen verzogen sich. »Verdammter Barbar. Ich ergebe mich.«
Galen trat einen Schritt zurück und wartete, bis Dmitri auf die Füße gekommen war, ehe er sein Schwert erhob und zum Zeichen des Respekts unter Kriegern höflich den Kopf neigte. Dmitris Entgegnung war unerwartet feierlich und vermittelte Jessamy den Eindruck, dass dieser neue Engel mit dem Körperbau eines Rammbocks und den großen, machtvollen Schwingen irgendeine Art von Test bestanden haben musste.
»Ich glaube, du hast mir die Rippen gebrochen.« Dmitri rieb sich den gefleckten Bluterguss, der sich auf der dunklen Honigfarbe seiner Haut herausbildete.
»Die werden wieder heilen.« Galen hob den Kopf, ließ den Blick über die Zuschauer schweifen … und bei Jessamy verweilen.
Blassgrün und beinahe durchscheinend, ließen diese Augen alle Luft aus ihrem Körper entweichen; mit unerschütterlicher Entschlossenheit blickte Galen sie an. Die Wucht seiner beherrschten Macht war überwältigend, aber was die Knöchel ihrer Finger weiß hervortreten ließ, waren seine Lippen. Als das einzig Weiche in diesem schroffen Gesicht, das nur aus Kanten zu bestehen schien, ließen sie erschreckende, wilde Gedanken auf ihren Geist einstürmen. Erst als Dmitri etwas sagte und Galen sich abwandte, konnte sie wieder atmen. Seine zerzausten, seidig roten Haare
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