Dunkle Verlockung (German Edition)
bewegten sich im Wind.
Galen sah der großen, beinahe zu dünnen Frau nach, als sie mit zwei der kleinsten Kinder aus dem Publikum an der Hand davonging. Um sie herum rannten weitere Kinder, deren Flügel über den Boden schleiften, wenn sie vergaßen, sie anzuheben. Nie zuvor hatte er einen so zierlichen Engel gesehen. Eine einzige falsche Bewegung mit einer seiner großen Fäuste und er würde sie in hundert Stücke zerbrechen.
Bei diesem Gedanken verdüsterte sich seine Miene und er wandte den Blick von ihrem Rücken ab, der sich von ihm entfernte – einer ihrer Flügel wirkte aus der Entfernung seltsam deformiert. Er folgte Dmitri in die hallende Leere des Waffensaals, wo sie ihre Schwerter reinigten und verstauten. Kurz darauf kam Illium herein, seine Flügel waren so makellos blau, wie Galen es noch nie zuvor gesehen hatte. Der Engel war noch jung, nur hundertfünfzehn im Gegensatz zu Galens zweihundertfünfundsiebzig Jahren, und wirkte wie ein wunderschönes Stück Leichtfertigkeit – der Typ Mann, der sich einzig und allein wegen seines dekorativen Werts an Höfen aufhielt.
»Du schuldest mir den goldenen Dolch, den du aus Nehas Territorium mitgebracht hast.« Illiums Worte waren an Dmitri gerichtet, seine Augen glühten.
Dmitris Brauen senkten sich, als er murmelte: »Du kriegst ihn.« Er hob den Blick und sah Galen an. »Er hat gewettet, du würdest mich besiegen.«
Galen fragte sich, ob der jüngere Engel nur deshalb auf einen Unbekannten gesetzt hatte, weil er Dmitri ärgern wollte, oder ob er über Informationen verfügte, von denen andere nichts wussten. Nein, dachte er beinahe sofort, Illium konnte nicht Raphaels Meisterspion sein – davon abgesehen, wie unwahrscheinlich es war, in seinem Alter bereits das erforderliche Kontaktnetzwerk aufgebaut zu haben, erschien er für eine solche Aufgabe einfach viel zu auffällig.
»Du warst ein guter Gegner«, sagte er zu Dmitri, während er sich einen gedanklichen Vermerk machte, Illium sorgfältiger zu beobachten – Männer wie Dmitri gaben sich nicht mit hübschen, nutzlosen Schmetterlingen ab. »Normalerweise kann ich meine Gegner mit bloßer, roher Gewalt einschüchtern.« Dmitri hingegen hatte sich nicht einschüchtern lassen und darüber hinaus mit erfahrener Anmut gekämpft.
Der Vampir neigte den Kopf und seine dunklen Augen wirkten träge – solange man nicht unter die Oberfläche blickte. »Wahrlich ein Kompliment von einem Waffenmeister, über dessen Verlust Titus mit Sicherheit erzürnt ist.«
Galen schüttelte den Kopf. »Er hat bereits einen Waffenmeister – und Orios hat sich seine Stellung verdient.« Für Galen hatte es dort keinen Platz gegeben, außer als Orios’ Untergebener. Mit dieser Position war er nicht unzufrieden gewesen, als er gerade erwachsen geworden war, hatte er doch gewusst, dass Orios der bessere Kämpfer und die bessere Führungspersönlichkeit war. Aber als Galen älter und erfahrener wurde, hatten sich die Dinge geändert, seine Macht hatte sich erheblich schneller entwickelt als die seiner Altersgenossen. »Orios war froh, als ich ihm von meinem Wunsch berichtete, Titus’ Hof zu verlassen.«
»Die Männer sind allmählich verwirrt, in wem sie ihren Anführer sehen sollen«, hatte der Waffenmeister gesagt, seine beinahe schwarze Haut hatte im Licht der afrikanischen Sonne geglänzt. »Es würde auf meine Kosten gehen, wenn wir gezwungen wären, die Dinge in einem Kampf auszutragen.« Eine große Hand drückte Galens Schulter. »Ich hoffe, dass wir einander nie in einer Schlacht gegenübertreten müssen. Von all meinen Schülern hast du es am weitesten gebracht.«
Nie hatte Orios seinem Schüler Wissen vorenthalten, obwohl dieser seine Position gefährdet hatte. Dafür brachte Galen ihm großen Respekt entgegen, und er hatte dafür gesorgt, dass Orios das wusste. Sie hatten sich im Guten getrennt. »Titus versucht nur, sich in eine gute Position zu bringen, um Zugeständnisse von Raphael zu gewinnen.«
»Wie idiotisch von ihm«, sagte Illium und ließ die Hand über die Schneide der Klinge gleiten, mit der Dmitri gekämpft hatte. »Raphael ist zwar vielleicht das neueste Mitglied im Kader, aber er ist trotzdem ein Erzengel.« Er schnitt sich in die Handfläche, stieß zischend die Luft aus und ballte die Hand zur Faust. »Warum hast du keine Stellung an Charisemnons oder Urams Hof ins Auge gefasst? Beide sind älter und stärker und haben viel mehr Männer unter ihrem
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