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Dunkle Verlockung (German Edition)

Dunkle Verlockung (German Edition)

Titel: Dunkle Verlockung (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nalini Singh
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Besuch an Titus’ Hof verwendet hatte. »Danke.« Ihre Stimme war gleichmäßig, obwohl der Puls in ihrem Hals hämmerte – ein zartes Klopfen unter ihrer cremefarbenen, von der Sonne zart verwöhnten Haut. »Ist Ihnen nicht kalt?«
    Er trug nur eine schlichte Hose aus beständigem Material, in der er gut kämpfen konnte, und dazu robuste Stiefel. Das Schwert hatte er sich auf den Rücken gebunden, sodass sich die Ledergurte vor seiner Brust kreuzten. »Nein.« Ihm war bewusst, dass er wie der Barbar aussah, als den Dmitri ihn bezeichnet hatte – erst recht neben ihrer ätherischen Schönheit. »Sie stehen früh auf, gnädige Frau.«
    »Jessamy.« Das einfache Wort lenkte seine Aufmerksamkeit auf ihre Lippen. Weich und gerade voll genug, um verführerisch zu sein, hätten sie ihr Gesicht dominiert, wären da nicht ihre fesselnden Augen gewesen, in denen ein unausgesprochenes Geheimnis lag. »Wann habe ich dich unterrichtet, Galen? Ich kann mich nicht erinnern.«
    Er hatte die Hand zur Faust geballt, um nicht dem Drang zu erliegen, sie auszustrecken und die Falten zwischen ihren Brauen glattzustreichen. Sie war ein zu zartes Geschöpf für ihn, seine Berührung wä re zu grob. Und doch ging er nicht f ort. »Warum solltest du mi ch in irgendetwas unterrichtet haben?«
    Wieder ein Blinzeln, weitere Falten. »Ich unterrichte all unsere Kinder, schon seit Jahrtausenden. Du musst mein Schüler gewesen sein – du bist noch so jung.«
    In seinen zweihundertfünfundsiebzig Jahren auf der Welt war er in Schlachten marschiert und hatte in Blut gebadet, hatte den heißen Kuss einer Peitsche auf seinem Rücken und den kalten Stoß eines Messers in seinen Eingeweiden gespürt – doch bis zu diesem Augenblick hatte ihn noch nie jemand als Kind bezeichnet. »Ich habe meine Kindheit an Titus’ Hof verbracht.« Nur selten wuchsen Kinder außerhalb der Zufluchtsstätte auf, aber niemand hätte es gewagt, dem Sohn zweier Krieger etwas zuleide zu tun – noch dazu einem Jungen, der unter Titus’ höchstpersönlichem Schutz stand. »Ich hatte einen Hauslehrer«, fügte er hinzu, weil er nicht wollte, dass sie ihn für einen ungebildeten Wilden hielt.
    »Jetzt erinnere ich mich.« Jessamys Stimme strömte wie flüssige Seide über ihn – eine unbeabsichtigte Zärtlichkeit. »Dein Hauslehrer war einer meiner ehemaligen Schüler, den ich für die Stelle empfohlen hatte. Er sagte mir, dass du allein unterrichtet wurdest.«
    »Ja.« Titus hatte verhindern wollen, dass Galens Entwicklung durch die feminine Sanftheit seiner Töchter beeinflusst wurde.
    »Ein einsames Leben.«
    Er zuckte die Schultern, schließlich hatte er überlebt und war groß und stark geworden. In einem Alter, in dem die meisten Engel noch als Kinder galten, war er schon ein tüchtiger Kämpfer gewesen. Vielleicht hatte er nicht die üblichen Spielkameraden gehabt, aber er hatte es nicht anders gekannt, und dieses Leben hatte ihn zu dem Mann gemacht, der er heute war. Ebendieser Mann wollte sich nun am liebsten vorbeugen, um den Duft an Jessamys eleganter Halsbeuge zu schnuppern. »Ich werde dich den Rest des Weges begleiten«, sagte er, anstatt dem primitiven Drang nachzugeben.
    Jessamy schritt neben dem großen Engel mit seinem übermächtigen Körper. Die mühelose Leichtigkeit, mit der er seine Flügel über dem Boden hielt, verriet ihr, dass es keine bewusste Handlung, sondern das Ergebnis des stählenden Trainings eines Kriegers war. Niemand könnte diesen Mann, der das Buch in seinen Händen wie ein fremdartiges Objekt betrachtet hatte, mithilfe seiner eigenen Flügel zu Fall bringen. »Liest du?«, fragte sie ohne nachzudenken.
    Als er den Kopf schüttelte, glitzerten im unglaublichen, erlesenen Rot seiner Haare feine Dunsttröpfchen, die sich darin verfangen hatten, und Jessamy fragte sich, ob die Farbe abfärben und einen prächtigen Sonnenuntergang auf ihrer Haut erschaffen würde, wenn sie mit den Fingern durch die dichten Strähnen fuhr.
    »Ich kann es«, sagte er beinahe schroff, »aber in meiner Welt gibt es nicht viel Verwendung dafür.« Zu ihrer Überraschung erhitzten sich seine Wangenknochen. »Meine Lesekenntnisse sind … bestenfalls eingerostet.«
    Jessamy konnte nicht verstehen, wie jemand ohne Wörter, ohne Geschichten leben konnte … aber auf der anderen Seite war sie seit Jahrtausenden in der Zufluchtsstätte eingeschlossen. Wenn sie so schöne Flügel gehabt hätte wie Galen, hätte sie sich vielleicht auch nicht so sehr für Wörter

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