Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Dunkle Wasser

Dunkle Wasser

Titel: Dunkle Wasser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: V.C. Andrews
Vom Netzwerk:
geschminkte Wange. »Sei nicht so streng mit ihr, Kitty. Du erwartest unheimlich viel von ihr, wo du doch weißt, daß sie den Umgang mit diesen modernen Geräten nicht gewöhnt ist. Laß ihr Zeit, und sie wird es bald heraushaben. Ich sehe es ihren Augen an, daß sie intelligent ist.«
    »Sieht man ja auch an ihrem Kochen, was?«
    Er ging hinaus.
    Alleine mit Kitty überkam mich wieder eine Welle der Angst.
    Sie hatte nichts mehr von der rücksichtsvollen Frau an sich, die meine Haare frisiert und mit ihren Fingern gelockert hatte. Mir war inzwischen klar, daß ich vor Kittys irrationalen Gefühlsschwankungen auf der Hut sein mußte und mich nicht mehr von ihren freundlichen Annäherungsversuchen einwickeln lassen durfte. Kitty zeigte mir jedoch wieder mit überraschender Geduld, wie man mit der
    Geschirrspülmaschine und dem Mülleimer umzugehen hatte; dann brachte sie mir bei, wie man das Geschirr »genau auf seinen Platz« einräumte.
    »Möcht’ nicht in die Schränke schauen und sehen, daß irgend etwas nicht auf seinem Platz steht, verstehst du?«
    Ich nickte. Sie tätschelte mir die Wange, ziemlich energisch.
    »Mach dich jetzt schnell für die Schule fertig, es ist Zeit zu gehen.«
    Das Ziegelgebäude hatte schon von außen sehr groß ausgesehen. Aber als ich drinnen war, erschien es mir noch verwirrender. Hunderte von Jugendlichen, alle in wunderschönen Kleidern, schwärmten herum. Meine paßten mir überhaupt nicht. Keines der Mädchen trug solch häßliche Halbschuhe mit weißen Socken wie ich. Der Direktor, Mr.
    Meeks, lächelte Kitty an, völlig überwältigt von der Tatsache, eine so hinreißende Frau in seinem Büro begrüßen zu dürfen.
    Er starrte auf ihren Busen, der sich genau in seiner Augenhöhe befand, und hob noch nicht einmal seine Augen, um zu entdecken, daß sie auch ein hübsches Gesicht hatte.
    »Aber natürlich werde ich mich um Ihre Tochter kümmern, Mrs. Dennison, selbstverständlich…«
    »Muß jetzt gehen«, sagte Kitty vor der Tür, die hinaus in die Halle führte. »Mach, was dir die Lehrer sagen. Du gehst zu Fuß nach Hause. Hab’ dir ‘ne Liste geschrieben, was du zu tun hast, wenn ich nicht da bin. Findest sie auf dem Küchentisch.
    Ich hoffe, in ein sauberes, aufgeräumtes Haus zu kommen, hast du mich verstanden?«
    »Ja, Mutter.«
    Sie strahlte den Direktor an und tänzelte die Halle hinunter, und er folgte ihr tatsächlich, um ihr nachzusehen. Die Art und Weise, wie er ihr nachstarrte, zeigte mir deutlich, daß Kitty mit ihrer aufgesetzten Weiblichkeit der Traumfrau vieler Männer entsprach.
    Der erste Tag war schwierig. Ich weiß nicht, ob ich mir die feindselige Haltung, die man mir entgegenbrachte, nur einbildete oder ob sie tatsächlich existierte. Ich fühlte mich scheu und verklemmt mit meinen wilden Haaren, meiner billigen, schlechtsitzenden Kleidung, obwohl sie besser war als das, was ich vorher besessen hatte. Ich war auch unglücklich über meine Hilflosigkeit, die Klasse sowie die Mädchentoilette zu finden. Ein hübsches Mädchen mit braunen Haaren erbarmte sich meiner und zeigte mit alles während der Pausen.
    Ich mußte einige Tests machen, damit man feststellen konnte, was ich eigentlich auf der Provinzschule gelernt hatte. Meine Güte, Miß Deale hatte schon längst alles mit uns durchgenommen. Ich mußte an Tom denken, und die Tränen traten mir in die Augen. Ich wurde in die neunte Klasse eingestuft.
    Irgendwie schaffte ich es, mich in der Schule zurechtzufinden und den langen, ermüdenden Tag zu überstehen. Langsam schlich ich nach Hause. Hier war es zwar nur halb so kalt wie in den Bergen, aber dafür auch nur halb so schön. Nirgends floß ein Bach mit klarem Wasser, das über Felsen hüpfte, nirgends zeigte sich ein Hase, Eichhörnchen oder Waschbär.
    Es war ein trüber, kalter Wintertag, der Himmel war grau und die Gesichter alle unbekannt.
    Ich erreichte Eastwood Street, bog in die 210. Straße ein, kramte den Schlüssel heraus, den Kitty mir überlassen hatte, zog den Mantel aus und hängte ihn sorgfältig in der Garderobe auf. Dann eilte ich in die Küche und sah die fünf Zettel auf dem Tisch liegen. In Gedanken vernahm ich Kittys Stimme.
    »Lies, was du zu tun hast.«
    »Ja.«
    »Was, ja?«
    »Ja, Mutter.«
    Ich schüttelte den Kopf, um meine Gedanken wieder zu ordnen, und setzte mich hin, um die Zettel zu lesen. In die Küche drang kein Sonnenlicht, und sie sah ohne elektrisches Licht nur halb so freundlich aus. Ich sollte, wenn ich

Weitere Kostenlose Bücher