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Dunkle Wasser

Dunkle Wasser

Titel: Dunkle Wasser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: V.C. Andrews
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erfrischt und ihr ein hübsches, pinkfarbenes Nachthemd übergezogen. Sie starrte mich aus schläfrigen Augen an, und ihr verschwommener Blick zeigte fast so etwas wie Erstaunen, als sie mich ansah, bevor sie wieder einschlummerte. Welche Erleichterung, diese seltsamen Augen geschlossen zu sehen.
    Unten im gemütlichen Wohnzimmer saßen wir alle zusammen, und Cal erzählte von Kittys geheimnisvoller Krankheit, die kein Arzt diagnostizieren konnte. Reva Setterton verzog geringschätzig den Mund. »Seit Kitty auf der Welt ist, meckert sie über alles. Man konnte es ihr noch nie recht machen. Hat mich und ihren Vater nie gemocht noch sonst irgend jemanden – es sei denn, er war männlich und gutaussehend. Vielleicht kann ich jetzt alle meine Fehler aus der Vergangenheit gutmachen… jetzt, wo sie mir keine frechen Antworten zurückgeben kann, die mich fuchsteufelswild machen.«
    »Sehr richtig, sehr richtig«, fiel Maisie ein, die wie eine Klette an meiner Seite hing. »Gibt doch immer wieder Ärger, wenn Kitty zu Haus ist. Alles lehnt sie ab, was wir sagen oder tun. Sie haßt Winnerrow. Haßt uns alle, trotzdem kommt sie immer wieder zurück…« Maisie plapperte immer weiter, folgte mir in mein Zimmer, sah mir zu, wie ich auspackte. Sie war von der Unterwäsche und den hübschen Kleidern ganz hingerissen, die mittlerweile offiziell zu meiner Garderobe gehörten, nun, da Kitty zu krank war, um zu kontrollieren, wieviel Geld Cal für mich ausgab.
    »Wetten, daß es verdammt schwierig ist, mit ihr auszukommen?« löcherte mich Maisie weiter mit ihren Fragen.
    Plumpsend ließ sie sich auf den gelben Bettüberzug fallen und sah mich mit ihren grünen Augen voll Bewunderung an. Sie hatte wohl nicht die Vitalität und Robustheit, die Kitty einst besessen hatte. »Kitty war eigentlich nie ‘ne richtige Schwester. Sie war schon fort und verheiratet, bevor ich noch richtig denken konnte. Nie mochte sie, was Mutter kocht. Jetzt muß sie es ja wohl oder übel essen.« Maisie grinste wie eine schadenfrohe Katze. »Sie mag überhaupt nichts an uns. Ganz schön komisch, unsere Kitty. Aber traurig, daß sie so im Bett liegt und sich nicht rührt. Was ist denn passiert?«
    Eine gute Frage, eine sehr gute Frage, die sich die Ärzte auch schon viele Male gestellt hatten.
    Als Maisie gegangen war, sank ich in einen mit gelbem Chintz bezogenen Ohrensessel und überlegte. Wie hatte es begonnen? Nachdem Chuckles getötet worden war? Ich versuchte mich zu erinnern, konzentriert und mit geschlossenen Augen. Wo war der Anhaltspunkt? Vielleicht war es der Tag, als Kitty nach Hause gestürmt war, voll Wut, weil die Hälfte ihrer Kundinnen ihre Termine nicht eingehalten hatten. »Blöde Weiber!« kreischte sie. »Meinen wohl, sie sind besser als ich und können mich warten lassen, als hätte ich nichts Besseres zu tun. Bin hungrig, habe einen Wolfshunger –
    trotzdem verlier’ ich dauernd an Gewicht! Möcht’ essen, essen und wieder essen.«
    »Ich beeil’ mich, so sehr ich kann«, antwortete ich und raste zwischen Spüle und Herd hin und her.
    »Ich bad’ erst mal… Wenn ich fertig bin, steht alles auf dem Tisch.«
    Klick-klack klapperten ihre hohen Absätze die Treppe hinauf.
    Fast konnte ich Kitty vor mir sehen, wie sie sich die rosa Arbeitskleidung vom Leib riß, sich ihrer Unterwäsche entledigte und alles auf den Boden fallen ließ.
    Kleidungsstücke, die ich später aufheben, waschen und einräumen mußte. Ich hörte Kitty mit lauter Stimme singen, ein Lied, das sie immer sang, wenn sie im Bad war.
    »Dort unten im Tal… so tief im Tal… ja, ja…
    Am frühen Abend… pfiff der Zug… ja, ja, ja…«
    Immer und immer wieder, bis sich das Lied in meinem Kopf festsetzte, an meinen Nerven zerrte. Immer nur diese zwei Zeilen, die sie so oft wiederholte, daß ich mir zum Schluß Watte in die Ohren stopfen wollte.
    Dann kam der Schrei.
    Ein langer, markerschütternder Schrei.
    Ich flog die Stufen hinauf, in der Annahme, daß Kitty in der Badewanne ausgerutscht sei… Aber ich fand sie nur nackt vor dem Spiegel stehend, wie sie mit großen, ängstlichen Augen ihre rechte Brust anstarrte. »Krebs, ich hab’ Brustkrebs.«
    »Mutter, du mußt zu einem Arzt gehen. Vielleicht ist es nur eine Zyste oder ein gutartiger Tumor.«
    »Was, zum Teufel, heißt schon ›gutartig‹?« schrie sie erregt.
    »Sie werden sie abschneiden, mich aufschneiden mit einem Skalpell, mich verstümmeln… Kein Mann will mich dann mehr! Ich werd’ schief sein,

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