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Dunkle Wasser

Dunkle Wasser

Titel: Dunkle Wasser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: V.C. Andrews
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Mensch auf dieser Welt, der Probleme hat. Du weißt doch, daß ich in jenem Jahr mit meinen Augen zu tun hatte.
    Was glaubst du wohl, was mit mir war, während ihr da oben in den Bergen halb verhungert seid? Unten im Tal bin ich nämlich fast erblindet. Ich mußte in eine Spezialklinik geflogen werden, um an den Augen operiert zu werden! Dort bin ich gewesen! Weit weg von hier, in einem Krankenhaus, mein Kopf von Klammern festgehalten, meine Augen so lange bandagiert, bis sie geheilt waren. Danach mußte ich eine Sonnenbrille tragen und mich schonen, bis die Netzhaut sicher angewachsen war. An jenem Tag, wo du meinst, daß ich dich in der Kirche gesehen hätte, habe ich nur versucht, dich zu sehen. Ich habe damals alles nur verschwommen gesehen. Ich habe nach dir Ausschau gehalten! Ich bin nur deinetwegen in die Kirche gegangen!«
    »Kannst du jetzt wieder gut sehen?« fragte ich mit einem Kloß im Hals.
    Lächelnd blickte er mir in die Augen, bis ich alles verschwommen sah.
    »Ich sehe dich nur ein ganz klein wenig unscharf. Wird mir jener lang zurückliegende Sonntag verziehen?«
    »Ja«, flüsterte ich. Ich schluckte die Tränen hinunter, biß mir auf die Lippen, dann senkte ich den Kopf und legte ihn kurz an seine Brust. Ich richtete ein stummes Gebet an Gott, daß Logan mir verzeihen möge, falls ich jemals in die Lage käme, ihm alles erzählen zu müssen. Ich war keine Jungfrau mehr, und ich hatte nicht den Mut, es ihm zu sagen.
    Entschlossen führte ich ihn zur bewaldeten Gegend Winnerrows. »Wohin gehen wir?« fragte er mich und hakte seine Finger in meine. »Willst du die Hütte sehen?«
    »Nein, du bist ja schon allein hingegangen und hast alles gesehen, was ich versucht habe, vor dir zu verbergen. Es gibt einen anderen Ort, den hätte ich dir schon lange zeigen sollen.«
    Hand in Hand spazierten wir den überwucherten Pfad entlang, der zum Friedhof führte. Hie und da streifte ich Logan mit einem Blick. Mehrmals trafen sich unsere Blicke, und ich mußte mich zwingen, meine Augen wieder von ihm abzuwenden. Er liebte mich. Das spürte ich. Warum war ich nicht stärker gewesen und hatte der Versuchung widerstanden?
    Schluchzend stolperte ich. Schnell hielt mich Logan fest, bis ich wieder mein Gleichgewicht gefunden hatte. Ich landete in seinen Armen. »Ich liebe dich, Heaven«, flüsterte er heiser. Ich spürte seinen warmen Atem auf meinem Gesicht, bevor er mich küßte. »Gestern Nacht habe ich kein Auge zugemacht, weil ich immer dran denken mußte, wie wundervoll du bist, wie aufrecht und treu du zu deiner Familie hältst. Du bist die Frau, der ein Mann vertraut; eine Frau, die er allein lassen kann und weiß, daß sie ihm treu bleibt.«
    Ich war vor lauter Verzweiflung wie betäubt. Ich wollte nicht zulassen, daß zuviel Sonnenschein mein Herz erwärmte, während er immer weiterredete; er erzählte von seinen Eltern, seinen Tanten, Onkeln und Cousins, bis wir das Flußufer, an dem wir vor langer Zeit gegessen waren, erreicht hatten. Hier war die Zeit stehengeblieben. Logan und ich hätten in jenem Augenblick die Jugendlichen von damals gewesen sein können, die sich zum ersten Mal verliebten. Wieder saßen wir, vielleicht sogar auf demselben Platz, so nahe beieinander, daß sich unsere Schultern berührten und sein Schenkel sich gegen meinen drückte. Ich starrte auf das Wasser, das über die Steine plätscherte. Nach einer Weile erst begann ich mit jener Geschichte, die zu erzählen das Schwerste in meinem ganzen Leben war. Wenn er alles wußte, würde er mich verachten.
    »Meine Großmutter hat mir oft erzählt, daß meine Mutter immer an diese Quelle gegangen ist«, sagte ich und zeigte auf eine Stelle, wo das
    Wasser aus einem Felsspalt
    hervorsprudelte, »sie kam mit unserem alten Holzeimer hierher, um Quellwasser zu holen. Sie hielt das Brunnenwasser für nicht besonders schmackhaft, auch nicht zum Suppekochen geeignet oder für die Farben, die Großmutter herstellte, um Wollreste zu färben, aus denen meine Mutter dann einen Teppich knüpfte, der unter meine Wiege kommen sollte, um den Luftzug abzuhalten. Sie richtete die Hütte, so gut es ging, für meine Geburt her…«
    Er legte sich neben mich ins Gras und spielte gedankenverloren mit meinen langen Locken. Es war sehr romantisch, mit Logan hier zu sitzen, als wären wir noch unschuldig und als hätte niemand vor uns geliebt. Er spielte mit meinen Händen, zuerst mit einer, dann mit der anderen, er küßte meine Fingerspitzen und Handflächen,

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