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Dunkle Wasser

Dunkle Wasser

Titel: Dunkle Wasser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: V.C. Andrews
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waren prall gefüllt mit Orangen, Äpfeln, Bonbons, Kaugummis und Schokoladenplätzchen; schließlich wurde ein langer Tisch mit einem weißen Tischtuch und glitzerndem Kristall und Silber gedeckt. Ein großer, braungebratener Truthahn wurde auf einem Silbertablett serviert, der mit den Speisen, die wir damals in dem Restaurant gegessen hatten, garniert war. Ein Kürbiskuchen, wie ich ihn in einer Zeitschrift gesehen hatte, stand auch auf dem Tisch. Oh, was meine Träume Unserer-Jane und Keith nicht alles gönnten!
    Nun, da Unsere-Jane und Keith mich nicht mehr ablenkten, hörte ich intensiver Fannys ewiges Gemurre, daß sie nicht von den reichen Leuten mit den feinen Kleidern und dem prächtigen Wagen ausgesucht worden war.
    »Die reiche Dame hätte genausogut mich aussuchen können«, sagte sie wohl schon zum hundertsten Mal, »wenn ich bloß die Zeit gehabt hätt’, mir die Haare ordentlich zu waschen und mich zu baden. Hast das ganze heiße Wasser für die Kleinen verwendet, Heaven! Bist gemein! Hab’ den reichen Leuten nicht gefallen, bloß weil ich unordentlich ausgesehen hab.
    Warum hat Vater uns nicht gesagt, wir sollen uns herrichten?«
    »Fanny«, rief ich außer mir, »was ist denn mit dir los?
    Einfach mit Fremden zu gehen, die man überhaupt nicht kennt.
    Nur Gott weiß, was den beiden zustoßen wird…« Ich hielt inne und fing zu weinen an.
    Tom versuchte mich zu trösten. »Es wird alles gut werden.
    Die ›neuen Eltern‹ von Unserer-Jane und Keith sind doch reich und gebildet. Stell dir vor, wie schrecklich das gewesen wär’, wenn Vater sie an Leute verkauft hätte, die genauso arm sind wie wir.«
    Wie zu erwarten, nahm Großvater Partei für seinen Sohn.
    »Luke tut nur, was er für das Beste hält… Halt deinen Mund, Mädchen, wenn du ihn das nächste Mal siehst, oder er wird dir was Schlimmes antun. Ist hier nicht der richtige Ort für Kinder,
    ‘s wird ihnen dort viel besser gehen. Hör auf zu weinen, und find’ dich zurecht mit dem, was du doch nicht ändern kannst.
    Darum geht es ja im Leben – man muß den Stürmen standhalten.«
    Ich hätte es wissen müssen, daß Großvater – ebenso wie Großmutter früher – nicht zu mir halten würde, wenn es um Vater ging. Immer hatten sie eine Entschuldigung für sein brutales Benehmen gefunden. Im Grunde seines Herzens sei er ein guter Mann – sagten sie. Unter seiner Härte und Grausamkeit sei er ein verhinderter Gentleman, der nur noch nicht den rechten Weg für sich gefunden hatte.
    Für mich war er ein Monster, für den nur die eigenen Eltern Liebe empfinden konnten.
    Ich kam so wenig wie möglich in die Nähe des alten Mannes, der mich so oft enttäuscht hatte. Warum war Großvater nicht stark genug, um für unsere Rechte zu kämpfen? Warum machte er nicht endlich seinen Mund auf? Warum drückte er seine Gedanken nur in Form kleiner hübscher Holzfiguren aus?
    Er hätte seinem Sohn sagen sollen, daß er seine Kinder nicht verkaufen durfte. Aber er hatte kein einziges Wort gesagt, nicht ein einziges.
    Bitterkeit erfüllte mich bei dem Gedanken, daß Großvater, wenn es ging, jeden Sonntag die Kirche besuchte, sang und sich mit gesenktem Kopf zum Gebet erhob; aber zu Hause wurden kleine, halbverhungerte Kinder geprügelt und gequält und dann verkauft.
    »Wir werden weglaufen«, flüsterte ich Tom zu, als Fanny schon schlief und Großvater auf seiner Schlafdecke lag.
    »Wenn der Schnee geschmolzen ist, ziehen wir alle unsere warmen Kleider an und fliehen zu Miß Deale. Sie ist jetzt bestimmt schon aus Baltimore zurück. Sie muß einfach schon zurück sein. Sie wird uns sagen, was wir zu tun haben und wie wir Unsere-Jane und Keith zurückbekommen können.«
    Ja, wenn überhaupt jemand Bescheid wußte, wie man Vaters Pläne, uns zu verkaufen, durchkreuzen könnte, dann sicherlich Miß Deale. Sie kannte bestimmt tausend Dinge, von denen Vater nie in seinem Leben gehört hatte; außerdem hatte sie Verbindungen.
    Es schneite drei Tage hintereinander.
    Und dann plötzlich brach die Sonne aus den Wolken hervor.
    Das helle Licht blendete uns fast, als Tom die Tür aufstieß, um hinauszuschauen.
    »Es ist vorbei«, sagte Großvater mit schwacher Stimme. »So sind die Wege des Herrn; er rettet uns immer dann, wenn wir glauben, in der nächsten Stunde sterben zu müssen.«
    Wieso waren wir gerettet? Das Sonnenlicht rettete uns keineswegs, es wärmte uns höchstens etwas. Ich trat zurück in die alte, baufällige Hütte, in der unsere spärlichen

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