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Dunkle Wasser

Dunkle Wasser

Titel: Dunkle Wasser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: V.C. Andrews
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Vorräte lagerten. Wieder hatten wir nichts zu essen, nur noch ein paar Nüsse, die wir im Herbst gesammelt hatten.
    »Ich mag Nüsse«, erklärte Tom gutgelaunt, setzte sich hin und machte sich über sie her. »Wenn genug Schnee geschmolzen ist, können wir unsere wärmsten Sachen anziehen und fliehen. Wär’ es nicht wunderbar, immer nach Westen in Richtung Sonne zu ziehen? Wir landen bestimmt in Kalifornien und leben von Datteln und Orangen und trinken Kokosmilch. Wir werden im goldenen Gras liegen und auf die goldenen Berge schauen…«
    »Haben sie auch goldene Straßen in Hollywood?« wollte Fanny wissen.
    »Wahrscheinlich ist in Hollywood alles aus Gold«, sinnierte Tom, der immer noch hinausblickte. »Oder vielleicht aus Silber.«
    Großvater sagte nichts.
    Wir lebten in einem eigenartigen Land. Der Frühling konnte so plötzlich wie ein Blitz einschlagen und ebensoviel Schaden anrichten. Es gab Tage im Dezember, Januar oder Februar, an denen es so warm wie im Frühling war, daß die Blumen und Bäume dazu verlockt wurden, ihre Knospen zu öffnen; dann brach der Winter wieder ein und die Blüten und Blätter erfroren. Wenn dann der richtige Frühling kam, dann ließen sich diese Pflanzen nicht mehr dazu verleiten zu knospen –
    zumindest nicht in diesem Jahr.
    Bald verwandelte die Sonne den Schnee in Matsch.
    Bäche und Flüsse schwollen an und rissen Brücken mit sich und die Waldpfade wurden zerstört. Nun, da auch unsere Brücke zerstört war, verringerten sich unsere Fluchtchancen gewaltig. Vollkommen erschöpft kehrte Tom von einer Erkundungsreise zurück und berichtete, daß alle Brücken in der näheren Umgebung fortgerissen worden waren.
    »Die Strömung ist viel zu stark, sonst könnten wir hinüberschwimmen. Morgen wird es schon besser sein.«
    Ich legte den Roman Jane Eyre beiseite und trat stumm neben Tom. Nach einer Weile kam auch Fanny herbeigeeilt. »Laßt uns einen Eid schwören«, flüsterte Tom, damit Großvater ihn nicht hörte, »daß wir bei der ersten Gelegenheit, die sich uns bietet, fliehen und daß wir immer zusammenhalten, durch dick und dünn, einer für alle, alle für einen… Heavenly, wir haben uns das schon mal geschworen. Jetzt kommt Fanny dazu.
    Fanny, leg deine Hand auf meine. Aber zuerst leg deine Hand aufs Herz und schwör, daß nur der Tod uns trennen kann.«
    Fanny zögerte einen Augenblick, legte aber dann in einer seltenen Regung von Kameradschaft ihre Hand auf meine Hand, die auf Toms lag. »Wir schwören feierlich…«
    »Wir schwören feierlich…« wiederholten Fanny und ich.
    »Daß wir immer zusammenhalten werden in guten wie in schlechten Tagen…«
    Wieder zögerte Fanny. »Warum mußt du die schlechten Tage erwähnen? Hört sich ja an wie bei einer Hochzeit, Tom.«
    »Also gut, durch dick und dünn, in Freud und Leid, bis wir Unsere-Jane und Keith wiederhaben. Seid ihr mit diesem Satz einverstanden?«
    »Sehr gut, Tom«, sagte ich und wiederholte seinen Schwur.
    Sogar Fanny war beeindruckt und verhielt sich zum ersten Mal wie eine richtige Schwester; sie schmiegte sich an mich, und wir redeten über unsere Zukunft, die uns draußen in der großen unbekannten Welt erwartete. Fanny half mir und Tom im Wald nach Beeren zu suchen, während wir darauf warteten, daß der Fluß wieder zurückging und die Brücken repariert wurden.
    »He«, sagte Tom Stunden später, »mir ist grad etwas eingefallen. Zwanzig Meilen von hier entfernt gibt es noch eine Brücke. Wenn wir fest entschlossen sind, könnten wir sie erreichen. Wenn wir aber über zwanzig Meilen marschieren wollen, dann brauchen wir pro Kopf mehr als eine Haselnuß, das kann ich dir gleich sagen, Heaven – «
    »Meinst du, daß wir es mit zwei Nüssen pro Kopf schaffen?«
    fragte ich, da ich schon mit so einer Notsituation gerechnet hatte.
    »Ja, mit so viel Kraftfutter schaffen wir es glatt bis Florida«, sagte Tom lachend, »was fast genausogut wie Kalifornien ist.«
    Wir zogen alle unsere besten Sachen an. Ich verscheuchte die Gedanken daran, daß wir nun Großvater alleine lassen mußten.
    Fanny wartete schon ungeduldig darauf, die Hütte zu verlassen, in der nur noch Trübsinn, Alter und Hoffnungslosigkeit herrschten. Mit schlechtem Gewissen und schweren Herzens küßten wir Großvater zum Abschied. Er stand zitternd auf, lächelte uns an und nickte, so als könnte ihn im Leben nichts mehr überraschen.
    Ich hielt den Koffer in meiner Hand. Nun hatte Fanny ihn schließlich doch entdeckt, aber ihre

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