Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Dunkle Wasser

Dunkle Wasser

Titel: Dunkle Wasser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: V.C. Andrews
Vom Netzwerk:
hungern und frieren. Ich mag Sie jetzt schon, das tu’ ich… dafür, daß Sie mich und nicht Heaven ausgesucht haben!«
    Fanny! Fanny! schrie ich innerlich. Hast du schon deinen Eid vergessen, daß du mit uns durch dick und dünn gehen wolltest?
    Gott hat es nicht so geplant, daß Familien auseinandergerissen und ihre einzelnen Mitglieder fremden Leuten zugeteilt werden. Fanny, du warst wie ein eigenes Kind für mich.
    »Sehen Sie, sehen Sie«, rief Vater stolz. »Wirklich, Sie haben die Beste gewählt. Ein liebenswürdiges und süßes Mädchen, für das Sie sich nie schämen müssen.«
    Wieder warf er mir einen seiner höhnischen Blicke zu, aber ich starrte nur geradeaus. Ich schämte mich für Fanny, und ich hatte Angst um sie. Was wußte eine Dreizehnjährige schon?
    Tom stand neben mir, er hielt meine Hand. Er war blaß und seine Augen dunkel vor Angst und Schmerz.
    Wir spielten fünf kleine Negerlein.
    Einer nach dem anderen verschwand. Dann waren’s nur mehr zwei.
    Wer würde der nächste sein, Tom oder ich?
    »Bin mächtig stolz, daß sie mich ausgesucht haben«, sagte Fanny wieder, sie konnte ihr Glück immer noch nicht fassen.
    Es war rührend, was Fanny mir atemlos zuflüsterte, als sie den roten Mantel angezogen hatte. »Ich werde in einem großen, reichen Haus wohnen, und du kannst mich besuchen.« Zwei-oder dreimal schnüffelte sie, um etwas Trauer zu demonstrieren, dann warf sie Tom und mir beschwörende Blicke zu. Sie nahm ihre zwei Pfund schwere Schokoladenschachtel mit und lächelte uns zu, bevor sie hinaus zum Wagen ging. »Wir werden uns ja mal in der Stadt treffen«, rief sie noch und sah sich nicht mehr um, nicht einmal nach Vater.
    Der Papierkram wurde erledigt, der Reverend zahlte die fünfhundert Dollar in bar und nahm die Quittung entgegen.
    Dann folgte er Fanny, seine Frau immer zwei Schritte hinter ihm. Wie ein richtiger Gentleman half der Reverend Fanny und seiner Frau in den Wagen. Alle drei saßen vorne, Fanny in der Mitte.
    Peng! Die Wagentür fiel zu.
    Der heftige Schmerz kehrte zurück, aber diesmal nicht so stark wie bei Unserer-Jane und Keith. Fanny wollte ja gehen, sie schrie und weinte nicht, hatte nicht mit den Beinen gestrampelt und nicht mit den Armen gefuchtelt – die Kleinen wollten bleiben. Wer konnte schon sagen, welche Entscheidung die richtige war?
    Fanny kam ja auch nur nach Winnerrow. Unsere-Jane und Keith dagegen waren in Maryland, und Tom konnte sich nur noch an drei Ziffern auf dem Nummernschild erinnern. Würde das genügen, sie… eines Tages… zu finden?
    Jetzt ging mit Fanny meine Peinigerin, meine Schwester und gelegentliche Freundin. Fanny, für die ich mich genierte, wenn ich in der Schule war und ihr Gekicher im Ankleideraum hörte.
    Fanny mit ihrer sexuellen Unbekümmertheit, dem Erbe aus den Bergen.
    Nachdem Fanny fort war, blieb Vater diesmal. Was Fanny bei seiner Ankunft herausgesprudelt hatte, war ihm eine Warnung. Er wollte nicht gehen und bei seiner Rückkehr entdecken, daß wir geflohen waren. Tom und ich jedoch waren darauf erpicht, daß er ging, damit wir fliehen konnten, bevor wir verkauft wurden. Wir warteten, ohne ein Wort zu sagen, saßen nebeneinander auf dem Boden in der Nähe des Ofens.
    Wir saßen so eng beieinander, daß ich seine Wärme spüren und seinen angestrengten Atem hörte.
    Vater gab uns nicht die geringste Chance zu fliehen. Er pflanzte sich auf einen Stuhl auf der anderen Seite des Ofens, kippte ihn leicht nach hinten und hielt seine Augen halb geschlossen – so als warte er auf etwas. Ich redete mir ein, daß wohl Tage vergehen würden, bevor ein neuer Käufer käme.
    Wir hatten also viel Zeit, sehr viel Zeit…
    Dem war nicht so.
    Ein mit Lehm bespritzter brauner Lastwagen, ebenso alt und klapprig wie Vaters, bremste plötzlich in unserem Hof und versetzte mich in Panik, die auch in Toms Augen stand. Er tastete nach meiner Hand und drückte sie fest. Wir preßten uns gegen die Wand. Fanny war erst seit zwei Stunden weg, und schon kam ein weiterer Käufer.
    Schritte auf der Verandatreppe, dann polterte jemand über den Vorbau. Dreimal klopfte es laut an der Tür. Dann wieder.
    Vater öffnete die Augen; er sprang auf, stürzte zur Tür und riß sie auf. Wir sahen, wie ein untersetzter, kräftiger Mann mit einem grauen Bart eintrat und sich stirnrunzelnd umsah. Er erblickte Tom, der jetzt schon einen Kopf größer als er war.
    »Wein nicht, Heavenly, bitte nicht«, flehte mich Tom an.
    »Ich halt’s nicht aus, wenn du’s

Weitere Kostenlose Bücher