Dunkle Wasser
Bücher – ganz neue. Einige meiner Lieblingsbücher habe ich mitgenommen. Sie sind bestimmt nicht schmutzig, Kitty, ganz bestimmt nicht. Tom und ich haben Keith und Unserer-Jane beigebracht, Bücher zu achten und wie Freunde zu lieben.«
»Bücher… ?« sagte sie angewidert. »Soll das heißen, du magst Bücher lieber als alles andere? Du mußt übergeschnappt sein.« Mit diesen Worten drehte sie sich auf dem Absatz um und schien darauf zu brennen, mir das Eßzimmer zu zeigen, obgleich ich vor Erschöpfung alles nur mehr verschwommen wahrnehmen konnte. Ich hatte an diesem Tag schon so viele neue Eindrücke gewonnen, daß ich das alles nicht mehr auseinanderhalten konnte.
Trotzdem mußte ich noch das Eßzimmer besichtigen. Ein Tisch mit einer Glasplatte stand darin; als Tischbeine dienten drei goldfarbene Delphine, die zuvorkommenderweise die schwere Glasplatte mit ihren Schwänzen abstützten. Ich torkelte vor Übermüdung. Verzweifelt strengte ich mich an, Kitty zu folgen und mir alle Gegenstände, auf die sie mich aufmerksam machte, genau zu betrachten.
Dann ging es in die weiße, blitzsaubere Küche. Sogar der weiße Fliesenboden glänzte. »Vinyl, sehr teuer«, erklärte sie,
»bestes Material, das man kaufen kann.« Ich nickte, ohne auch nur im geringsten zwischen dem Teuersten und Billigsten unterscheiden zu können. Mit schlaftrunkenen Augen blinzelte ich die modernen Wunder der Kücheneinrichtung an, von denen ich immer nur geträumt hatte: Eine Geschirrspülmaschine, eine Spüle aus Porzellan mit zwei Ausgußbecken, die chromblitzenden Armaturen, ein Küchenherd mit großer Arbeitsplatte und zwei Backöfen, die vielen weißen Schränke, die langen Regale, der runde Tisch und die vier Küchenstühle. Wo immer sich ein Platz bot, standen Kittys Kunstwerke, um die Eintönigkeit der alles beherrschenden weißen Farbe zu unterbrechen.
Verschiedene Behälter, die in der Küche gebraucht wurden, hatten ebenfalls die Gestalt von Tieren. In Keramikkörben konnte man Mehl, Zucker, Tee und Kaffee aufbewahren; in einem rosafarbenen Schwein wurden Haushaltsgegenstände verstaut, die nicht mehr in eine Lade paßten, und ein magentarotes Roß saß wie ein Mensch und hielt rosa Papierservietten.
»Wie gefällt dir das, sag’s ganz ehrlich?« wollte Kitty wissen.
»Es ist sehr hübsch, so sauber, bunt und hübsch«, flüsterte ich mit heiserer Stimme.
Wir kehrten ins Wohnzimmer zurück, wo Kitty sich erneut umsah und dann ihre Augen zusammenkniff. »Sie haben sie auf den falschen Platz gestellt«, schrie sie empört auf. »Schau doch mal, wo meine Elefantentische sind? Da hab’ ich sie! In den Ecken stehen sie, in den verdammten Ecken, wo kein Mensch sie sehen kann! Heaven, wir müssen gleich jetzt das Zimmer in Ordnung bringen.«
Es dauerte eine Stunde, bis alles wieder nach Kittys Vorstellung an seinem Platz stand. Die Keramiktiere waren überraschend schwer. Ich war zum Umfallen müde. Kitty sah mich prüfend an, nahm meine Hand und zog mich zur Treppe.
»Morgen gibt’s ‘ne bessere Besichtigung, ‘s wird dir gefallen.
Aber jetzt müssen wir dich ins Bett bringen.«
Während wir die Treppen hinaufstiegen, plapperte Kitty ununterbrochen unzusammenhängendes Zeug über berühmte Filmstars, die zu ihren Kundinnen gehörten und die darauf bestanden, nur von Kitty frisiert zu werden. »Bevor sie in einer Show auftreten, bestellen sie immer mich. Ich weiß Dinge, die du nie im Leben glauben würdest – bestimmt nicht! Es sind sorgsam gehütete Geheimnisse… Werd’ sie auch keiner Menschenseele verraten. Ich bin stumm wie ein Grab.« Kitty hielt inne, drehte sich zu mir um und sah mich eindringlich an.
»Was ist denn los? Kapierst du nichts? Hörst du mir denn überhaupt zu?«
Ich sah sie nur mehr wie durch einen Nebel vor mir. Ich war zwar so müde, daß ich im Stehen hätte einschlafen können, aber ich bemühte mich, mit Interesse ihren Histörchen über ihre reichen Kundinnen zu folgen. Ich entschuldigte mich bei ihr; es sei ein langer Tag für mich gewesen, und ich könne vor Schläfrigkeit nicht mehr besonders gut sehen noch hören.
»Was redest’n so gespreizt?«
Ich fuhr zusammen. Mein ganzes Leben lang hatte ich darauf geachtet, nicht so wie Kitty zu reden, mit verschluckten Endungen, verdrehter Grammatik und doppelter Verneinung.
Jetzt wurde ich dafür getadelt. »Miß Deale hat uns beigebracht, korrekt zu sprechen.«
»Und wer, zum Teufel, ist jetzt wieder diese Miß Deale?«
»Meine
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