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Dunkle Wasser in Florenz - Roman: Dunkle Wasser in Florenz

Dunkle Wasser in Florenz - Roman: Dunkle Wasser in Florenz

Titel: Dunkle Wasser in Florenz - Roman: Dunkle Wasser in Florenz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marco Vichi
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bequem, ein Glas Wein neben sich, legte die Füße auf den Couchtisch und begann zu essen. Die Spaghetti schmeckten gut, und er bedauerte, nicht mehr gekocht zu haben. Kurz darauf stellte er den leeren Teller auf den Couchtisch, goss sich noch ein Glas Wein ein und zündete sich eine Zigarette an. So langsam entspannte er sich, endlich …
    Als die traurige Musik zum Sendeschluss ertönte, wachte er auf. Sein Nacken schmerzte. Vor Ende des Films war ihm der Kopf auf die Brust gesunken, und er war eingeschlafen. Verdammt noch mal, Ennio hatte ihn nicht angerufen. Er überlegte kurz, noch einmal hinzufahren und nachzusehen, ob Ennio inzwischen zu Hause war, aber er fühlte sich so schwach, dass er den Gedanken gleich wieder aufgab. Er sollte jetzt besser schlafen gehen, irgendwann würde Botta sich schon melden. Als er vom Sofa aufstand, knackten seine Kniegelenke leise. Er schaltete den Fernseher aus, ehe dort nur noch Schneegestöber zu sehen war, ließ das schmutzige Geschirr stehen und ging in sein Schlafzimmer. Er zog sich aus und schlüpfte unter die Decke. Es würde ihm guttun, einmal richtig auszuschlafen.
    Doch obwohl er müde war, fand er keinen Schlaf. Er wechselte ständig die Lage und versuchte, nicht an die Via Luna, an Botta oder an die Verkäuferin aus der Via Pacinotti zu denken. Um einen freien Kopf zu bekommen, suchte er in seinen Erinnerungen. Er übersprang die aus dem Krieg und ging weiter zurück … verblasste Bilder legten sich übereinander und mischten sich, Frauen ohne Gesichter, Freunde, die er aus den Augen verloren hatte, Schulbänke, wie er schwitzend allein im Garten Fußball spielte … Er sah seine Mutter vor sich, wie sie Freitagabend in der Wohnung Nudeln kochte, seinen Vater, wie er sich Mussolinis Reden im Radio anhörte, die junge Witwe, die über ihnen wohnte und allen Männer schöne Augen machte, die Pferdewagen, die Autos, die hin und wieder über die Allee fuhren, die Lehrer, die sich beim Mussolini-Gruß fast die Schulter auskugelten, der faschistische Samstag in der Uniform der Jugendorganisation, das erste Mädchen, wegen dem er nicht mehr schlafen und essen konnte … schön wie der junge Tag und gemein … So war sie ihm eben in Erinnerung geblieben. Ausgehend von ihr versuchte er alle Frauen Revue passieren zu lassen, die ihn um den Verstand gebracht hatten, und sie zu zählen, wie andere Leute Schäfchen …
    Er wachte auf, noch müder als zuvor und mit voller Blase. Durch die Fensterläden fiel das bleiche Licht der Morgendämmerung, aber Regen war keiner zu hören. Um nicht ganz wach zu werden, machte er auf dem Weg zum Bad kein Licht an, sondern tastete sich mit den Fingern an der Wand entlang. Zurück im Schlafzimmer schloss er die Fensterläden und kehrte in vollkommener Dunkelheit in sein Bett zurück. Er hatte Gänsehaut. Damit ihm warm wurde, rollte er sich wie ein Kind zusammen und wickelte sich fest in die Decken. So blieb er lange mit geschlossenen Augen liegen und hoffte, er würde wieder einschlafen. Doch da war nichts zu machen, nun war er einmal wach, und sein Verstand arbeitete schon wieder. Wo war Ennio abgeblieben, verdammt noch mal? Der Gedanke, dass eine Mordermittlung wegen eines Einbrechers nicht vorankam, entlockte ihm beinahe ein Lächeln.
    Er fühlte sich hundeelend. Unterdrückt fluchend stand er auf und öffnete die Fensterläden. Es regnete zwar nicht, aber der Himmel hing immer noch voll schwerer, dunkler Wolken. Casini duschte lange und kochend heiß, zog sich in aller Ruhe an und bereitete sich einen Kaffee zu, den er schwarz und in kleinen Schlucken im Stehen trank. Diese Wolken verhießen nichts Gutes. Das war eindeutig der regnerischste Herbst, an den er sich erinnern konnte.
    Er verließ das Haus, kam auf die Piazza Tasso und ging von dort in die Via del Campuccio. Als er Bottas Wohnung erreichte, bückte er sich und klopfte ans Fenster. Keine Reaktion. Er betrat das Haus, klopfte an die Wohnungstür und rief laut Bottas Namen. Ennio war nicht da. Wo zum Teufel steckte er nur? Casini brauchte gar nicht zu versuchen, die Nachbarn oder in den Bars der Umgebung nach ihm zu fragen. Niemand würde auch nur ein Wort zu viel sagen, vor allem, wenn er etwas wusste. Das war ein stillschweigendes Übereinkommen, von dem alle profitierten.
    Casini lief nach Hause zurück, um den Wagen zu holen. Während er über den Ponte Vespucci fuhr, kam ihm der angeschwollene und dunkle Arno wie ein Walrücken vor. Am Wehr Santa Rosa stürzte das Wasser

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