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Dunkle Wasser in Florenz - Roman: Roman

Dunkle Wasser in Florenz - Roman: Roman

Titel: Dunkle Wasser in Florenz - Roman: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastei Lübbe
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Wasser einen Kaffee. Wie oft hatte er auf die Gasflasche geflucht, wenn sie am Samstagabend plötzlich leer war. Jetzt war sie voll, der Gasmann war erst vor einer Woche da gewesen. Er schaltete sein Transistorradio ein und hörte einen Teil der Nachrichten. Das Gebiet um Gavinana war immer noch überflutet, im Umland saßen viele Menschen nach wie vor auf ihren Dächern fest und warteten auf Hilfe. An diesem Morgen würde Präsident Saragat nach Florenz kommen, um sich persönlich ein Bild von der Lage zu verschaffen.
    Es gab keine sauberen Tassen mehr. Deshalb trank Casini den Kaffee aus einem Glas und starrte durch die Scheiben hinaus auf den blauen Himmel. Er ging ins Bad, um sich mit ein wenig Wasser im Waschbecken oberflächlich zu säubern. Er rasierte sich und wusch sich dann so gut es ging Gesicht, Hals, Oberkörper, Arme und Füße. Danach zog er saubere Kleidung an, schlüpfte in ein zweites Paar Socken und in die Gummistiefel.
    Er hörte am Ende des Korridors ein Schnarchen und ging zum Gästezimmer. Ennio schlief mit offenem Mund, die Arme ausgebreitet wie Jesus am Kreuz. Leise schloss Casini die Tür wieder und kehrte in die Küche zurück. Er schrieb einen Zettel: Ich gehe jetzt und weiß nicht, wann ich zurückkomme. Fühl dich ganz wie zu Hause. Wenn du die Wohnung verlässt, schließ die Tür gut ab, die Welt ist voller Diebe.
    Es las sich fast wie eins von den Zettelchen, die seine Mutter für ihn am Spiegel im Flur hinterlassen hatte, wenn sie am Sonntagmorgen in aller Früh auf Zehenspitzen das Haus verließ, um zur Messe zu gehen. Er platzierte den Zettel so, dass er sofort ins Auge fiel, neben der Espressomaschine. Dann zog er seinen Mantel an und verließ die Wohnung. Durch den öligen Schlick rutschend wandte er sich Richtung Piazza Tasso, lief an den vielen Menschen vorbei, die sich schweigend zwischen Trümmern und Müll zu schaffen machten. Ein Junge mit einer Matratze auf dem Kopf versuchte, durch ein Haustor zu kommen, und schließlich gelang es ihm. Die alte Lebensmittelhändlerin an der Piazza Piattellina wimmerte wie ein verwundetes Tier, während sie die letzten stinkenden Reste aus ihrem Geschäft räumte.
    Sobald er im Zivilfahrzeug saß, zündete sich Casini eine Zigarette an. Der Alleenring rund um die Stadt war genauso verstopft wie am Vortag, wenn nicht noch mehr. Der einzige Weg führte also durch die Stadtmitte. Als der Kommissar den Soldaten an der Straßensperre seinen Ausweis zeigte, ließen sie ihn passieren. Noch nie hatte er sich so oft ausweisen müssen wie in diesen Tagen.
    Er fuhr im Schritttempo, weil das Auto im Schlamm rutschte. Einige Straßen waren wegen Schutt und Unrat unpassierbar, aber schließlich konnte er auf dem Ponte Vespucci den Arno überqueren. In den Straßen im Stadtzentrum arbeiteten Menschen in Overalls an den Telefonleitungen und den Trafohäuschen. Junge Männer und Frauen halfen den Leuten mit Besen, räumten Häuser und Geschäfte leer und türmten den Müll am Straßenrand auf. Andere, anscheinend Studenten, darunter viele Langhaarige, liefen in Grüppchen mit vollgepackten Rucksäcken herum.
    Er kam zum Domplatz, wo eine vom Hochwasser betroffene Apotheke zu seinem Erstaunen schon wieder geöffnet hatte. Soldaten standen vor dem Portal des Baptisteriums, um die Bronzetafeln von Ghiberti zu schützen, die sich abgelöst hatten und nun im Schlamm lagen. Auf den Stufen der Basilika fütterte ein alter Mann die Tauben.
    Casini bog in die Via Martelli ein. Als er auf Höhe des Polizeipräsidiums war, winkte ihm ein junger Carabiniere, dass er anhalten solle, dann kehrte er ihm wieder den Rücken zu. Casini wollte ihn gerade fragen, was los war, doch da sah er schon aus dem Tor des Palazzo Medici Riccardi einen großen Militärjeep herauskommen, auf dem sich geradezu lächerlich viele Menschen drängten, gefolgt von einem Übertragungswagen der RAI mit zahlreichen Fernsehkameras. Auf dem Jeep waren ungefähr fünfzehn Personen. Die wenigsten hatten einen Sitzplatz, der stellvertretende Bürgermeister stand sogar auf dem Trittbrett und hielt sich am Außenspiegel fest. Casini begriff den Grund für diese Aktion, als er neben dem Carabiniere am Steuer Präsident Saragat und Bürgermeister Bargellini entdeckte, die von den anderen fast erdrückt wurden. Unter den stehenden Männern konnte er noch den Präfekten, Polizeipräsident Inzipone und ein paar andere wichtige Persönlichkeiten erkennen, deren Namen ihm allerdings gerade nicht einfallen

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