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Dunkle Wasser

Dunkle Wasser

Titel: Dunkle Wasser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Jane Beaufrand
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auf den Bildschirm, prägte mir die Blüten und die mandalaförmigen Blätter so lange ein, bis ich sicher war, dass ich sie wiedererkennen würde.
    Aber wo sollte ich mit meiner Suche beginnen? Wie suchte man nach einer Wiese?
    Wie sich zeigte, wusste ich auch das.
    Lautlos, um Esperanza nicht aufzuwecken, zog ich meine Laufsachen an, befestigte mein Handy am Bund meiner Jogginghose und schlich mich nach unten. Petunia trottete hinter mir her, ein zweites Mal ließ sie sich nicht zum Schlafen bewegen. Das ging schon klar. Schließlich musste ja selbst Petunia von irgendwoher gekommen sein. Irgendwo, wo man sie ohne Hundemarke an einer kurzen Kette gehalten hatte. Ich ahnte noch nicht, dass sie mir bei meiner Suche helfen konnte, aber ich hatte nichts dagegen, sie mitzunehmen.
    Ich knipste das Licht im Wintergarten an und griff mir meinen Regenmantel. Dort in der Manteltasche befand sich noch die zerknüllte Packung Jakartas, die ich an jenem Abend mit Tomás gefunden hatte. Als ich bereits wusste, dass etwas faul war, ich es aber noch nicht wahrhaben wollte. Keith hatte damals den Sieg davongetragen. Nur wegen ihm war ich umgekehrt. Doch damit war jetzt Schluss. Nun war es meine Aufgabe, die Sache zu Ende zu bringen.
Sei unbesorgt, Karen, du kannst dich jetzt ausruhen. Ich bringe uns nach Hause
.
    Draußen war es kalt und regnerisch, der Himmel noch dunkel. Mit der Taschenlampe in der Hand begab ich michhoffentlich zum letzten Mal auf den Weg flussaufwärts; das Herz schlug mir bis zum Hals, meine Beine zappelten, bereit zum Sprint.
    Der Tag des großen Rennens war gekommen.

21
    Obwohl der Morgen noch nicht graute und die Regentropfen so riesig waren, dass die Landschaft fremdartig und wie ertrunken wirkte, fand ich mühelos zu der Stelle zurück, wo Keiths Zigarettenpackung gelegen hatte. Mit der Taschenlampe leuchtete ich das unüberwindliche Dornengestrüpp an. Es war immer noch so unüberwindlich wie zuvor: Ein massiver Wall aus Brombeersträuchern, um die man nicht herumkam und deren Ausläufer so weit ins Wasser reichten, dass man praktisch Watstiefel brauchte, um sie zu umgehen.
    Ohne zu zögern, sprang ich hinein.
    Der Fluss war so kalt, dass es wehtat. Das war kein Wasser, das war flüssiges Eis, und wenn ich nicht schleunigst wieder herauskam, dann würde ich noch enden wie einWollmammut – tot und in Eis konserviert.
Rennerus domesticus. Sie hat alles gegeben, aber weit ist sie nicht gekommen
.
    Ich zwang meine Beine vorwärtszugehen. Ein Fuß flussaufwärts, dann den nächsten. Ich war überrascht, dass ich mich überhaupt aufrecht halten konnte.
    Als ich endlich an den Büschen vorbei war, wurde die Strömung sanft. Ich stand in einem Strudel. Mit der Taschenlampe leuchtete ich das Ufer ab. Dort, an den Stamm einer Zeder gebunden, lag ein Ruderboot.
    Ich schleppte mich ans Ufer, Petunia paddelte hinter mir her. Eine Weile war ich mit den Tauen beschäftigt. Meine Hände zitterten vor Kälte oder Angst, wahrscheinlich beidem. Doch endlich hatte ich das Boot losgebunden und sprang hinein. Petunia stürzte hinterher und brachte den Kahn gehörig ins Wanken, aber nach ein paar bangen Sekunden fanden wir unser Gleichgewicht wieder und ich begann zu rudern.
    Es tat gut, die Muskeln zu bewegen. Dadurch konnte ich meine Furcht durch etwas anderes ersetzen. Bewegung. Verstand.
    Vielleicht war mein Unternehmen gar nicht so gefährlich. Schließlich hatte das Ruderboot doch auf dieser Seite des Flusses gelegen, drüben war also hoffentlich niemand? Ich würde mir den Laden einfach mal ansehen, zurückrudern und die Brads zu der Stelle führen. Brauchte ja keiner zu wissen, dass ich hier gewesen war.
    Als Petunia und ich das andere Ufer erreichten, hattesich der Himmel schon purpurn verfärbt. Ich zog das Boot die steinige Böschung herauf und band es an einem Metallring fest, der eigens zu diesem Zweck dort angebracht war.
    Dann sah ich mich um. Es war bereits hell genug, um die Umrisse der Bäume auszumachen. Eine Menge davon. Für Lupinen gäbe es hier garantiert nicht genug Sonne. Ich leuchtete den Boden ab. Der Regen prasselte so unerbittlich auf mich nieder, als würde ich beim Völkerball abgeworfen. Dennoch waren die riesigen Fußabdrücke mit der breiten Spitze im Schlamm noch gut sichtbar. Sie führten direkt zu einem schmalen Pfad, der in den Wolken zu verschwinden schien. Darin lag der Unterschied zur anderen Seite: Diese Flussseite war viel steiler.
    »Das muss es sein«, sagte ich zu Petunia und

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