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Dunkle Wasser

Dunkle Wasser

Titel: Dunkle Wasser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Jane Beaufrand
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ihren eigenen Scheißdrogenring.«
    Bei jemand anderem fiel es mir leicht zu sagen:
Hör auf,dir die Schuld zu geben
. Doch meine eigenen Schuldgefühle wurde ich nicht so leicht los. Ich konnte nur versuchen, sie mit aller Macht zu unterdrücken. Fürs Erste musste das genügen.
    »Wenn du dann so weit bist, Ronnie«, sagte der gute Brad, »erzähl mir einfach, was passiert ist. Karen können wir zwar nicht wieder lebendig machen, aber wir können die fassen, die sie umgebracht haben.«
    »Wir gehen wieder nach Hause«, sagte Dad, als würde er klein beigeben. »Zurück nach Portland. Ich rufe in der Catlin Gable Schule an und erkundige mich, ob du das Schuljahr dort beenden kannst.«
    »Aber was ist denn mit dem Labor? Mit dem Drogenring?«
    Der böse Brad meldete sich zu Wort. »Darum kümmern wir uns schon. Du sagst uns einfach, was du gesehen hast, Gretchen wird uns morgen früh ihre Schilderung geben. Das reicht wahrscheinlich, um zumindest einige der Beteiligten strafrechtlich zu verfolgen.«
    Einige der Beteiligten
. Wie hohl das klang. Kümmerte mich das? Ich brauchte ihnen bloß einen Namen zu nennen, dann würde ich alles zurückbekommen: die Cafés, die Läden, die Discos, die Mitternachtsfilme … ich könnte wieder ich sein, ein Jahr hinfortgespült, als sei es nie geschehen.
    Aber könnte ich im Ernst dort weitermachen, wo ich aufgehört hatte?
    Nein. Jedenfalls jetzt noch nicht. Verborgen unter allem,unter all den Dingen, die ich so zu lieben glaubte, selbst unter all den Schuldgefühlen, der Wut und Enttäuschung, lag das Herzstück, das ich zwar spürte, aber noch nicht fassen konnte. Ich musste dahinterkommen, was es war.
    Ich schloss die Augen und versuchte, meine Gedanken zu sammeln. Liedfetzen trieben zum Klang dahinfließenden Wassers durch meinen Kopf.
Can you see the real me?
    Dann stieß ich auf etwas Seltsames, etwas, womit ich nicht gerechnet hatte. Mit Karen, Tomás oder
la llorona
hatte es nichts zu tun. Es hatte mit dem Ende von dem Film
Quadrophenia
zu tun, als der Junge seinen Roller die Klippe hinunterfährt.
    Auf einmal musste ich es unbedingt wissen: Hat er’s wirklich getan? Oder hat er im letzten Moment gekniffen und sich fürs Leben entschieden?
    Ich fragte mich, ob die beiden Kommissare wohl um diese Zeit noch eine DVD für mich auftreiben könnten? Dann könnte ich mir den Film im Schwesternzimmer so lange anschauen, bis ich endlich wüsste, ob die Gestalt auf der Klippe eine Person oder nur deren Schatten war. Aber auf diese Weise würde ich meine Antwort nicht bekommen.
    Es gab nur einen einzigen Weg, das Geheimnis um das Ende des Films zu lüften. »Dürfte ich jetzt bitte zu Gretchen?«
    Der böse Brad presste verärgert die Lippen aufeinander, aber schließlich musste er sich meinem Vater, dem Rechtsanwalt, beugen.
    »Natürlich, Schatz«, sagte Dad und ging voran durch die Tür und den Flur mit dem Linoleumboden entlang.

    Gretchen schlief, ihre Arme lagen still. Die Deckenlampen brannten zwar, aber ihr Licht war gedämpft. Nun wuselte niemand mehr in OP-Kleidung um sie herum. Einzig das stetige
Piep, piep, piep
von dem Gerät neben ihrem Bett deutete darauf hin, dass man sie nicht ganz vergessen hatte. Ihr Arm mit den Wunden steckte in einem dicken, festen Verband, als hätte ihre Mutter sie eingepackt. Ihr Haar war nach hinten gekämmt und gab den Blick auf einen zweiten dicken Verband an ihrer Schläfe frei. Mit ihrem gesunden Arm hing sie am Tropf.
    Piep, piep, piep
. Ihr Herz schlug ruhig und gleichmäßig wie bei einem Langstreckenläufer – nicht das verrückte BADUMMBADUMMBADUMM wie auf dem Badezimmerboden. Was immer die Ärzte mit ihr angestellt hatten, es hatte funktioniert. Gretchen war stabil – zumindest vorläufig.
    Gretchens Mom, Joanne Kinyon, saß neben ihrem Bett. Sie fror in ihrem Dralonkleid, auf dem blutrote Sonnen hinter schwarzen Palmen versanken. Um den Hals trug sie eine hawaiianische Kette aus Plastikblumen. Sie war eine hochgewachsene Frau mit strengem Blick. Nicht der Typ, den man als Bedienung in einem polynesischen Restaurant erwartet.
    In einem anderen Leben hätte sie wahrscheinlich eine fantastische Büroleiterin abgegeben, aber in Hoodoo gab es nur eine Handvoll Büros, also musste sie sich damit begnügen, Gretchen anzuleiten.
    Sie schaute auf, als wir eintraten. Ihr Gesicht wirkte unnatürlich glatt und breit, wie eine riesige, in Rum eingeweichte Cocktailkirsche.
    »Wie geht’s unserem Mädchen?«, fragte Dad und zog sich einen

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