Dunkle Wolken über den Schären: Mittsommerträume (German Edition)
brach doch immer Hektik aus.
Sie kletterte gerade von der Trittleiter, um eine weitere Girlande aus dem Karton zu holen, als eine völlig aufgelöste Anni-Frid auf sie zugeeilt kam. Gleich hinter ihr folgte ein Mann, der Jenny vor allem durch seine Farblosigkeit auffiel: anthrazitfarbener Anzug, dunkle Krawatte, grau meliertes Haar und ein aschfahler Teint. Selbst seine Lippen wirkten eigentümlich blutleer.
“Was ist los?”, fragte sie, bereits vorausahnend, dass ihr die Antwort nicht gefallen würde. “Kann ich Ihnen irgendwie weiterhelfen?”
“Rolf Eriksson”, stellte der Mann sich vor. “Das Elektrizitätswerk schickt mich, um jetzt endgültig die säumigen Rechnungsbeträge einzufordern. Wenn Sie heute wieder nicht bezahlen können, bin ich angewiesen, Ihre Stromversorgung zu unterbrechen.”
Jenny kämpfte die aufsteigende Panik zurück. Was nun? Seit dem ersten Besuch des Geldeintreibers vor ein paar Tagen hatte sie jederzeit damit gerechnet, dass er erneut erscheinen würde, um seine Drohung in die Tat umzusetzen. Aber ausgerechnet heute? So kurz vor dem Beginn der Benefizveranstaltung, von der sie sich erhoffte, dass genug Geld in die leere Kasse der Fiskfabrik kommen würde, um endlich die laufenden Rechnungen zu begleichen? Welch Ironie des Schicksals!
“Was machen wir denn jetzt?”, fragte Anni-Frid, und ihr standen Tränen in den Augen. “Sollen wir etwa im Dunkeln feiern? Ohne Musik und mit warmen Getränken und kaltem Essen? Das geht doch nicht!”
Eriksson verschränkte die Arme vor der Brust. “Es ist nicht die Schuld des Elektrizitätswerks, dass Sie Ihre Rechnungen nicht zahlen.”
“Aber Sie sehen doch, was hier los ist”, wandte Jenny ein. “Wir bereiten hier gerade eine Spendenparty vor. Hören Sie, wir wollen ja zahlen. Wenn alles gut läuft, haben wir spätestens morgen früh genug Geld zusammen, um Ihre Forderung auszugleichen.”
Der Mann schüttelte den Kopf. “Tut mir leid, aber das ist zu spät. Ich habe Anweisung, heute noch den Strom abzustellen.” Er seufzte. “Daher muss ich Sie bitten, mich jetzt zum Stromzähler zu führen …”
Anni-Frid fing an zu schluchzen, und auch Jenny war zum Weinen zumute, doch diese Blöße wollte sie sich vor dem Vertreter des Elektrizitätswerks nicht geben. Dabei wusste sie, dass sich ihr Zorn eigentlich gegen die falsche Person richtete. Eriksson machte nur seinen Job. Warum sollte er sich über die Anweisung seiner Vorgesetzten hinwegsetzen und damit möglicherweise selbst Ärger riskieren? An seiner Stelle hätte wohl kaum jemand anders reagiert.
Das änderte jedoch nichts daran, dass ein Abstellen der Stormversorgung – ausgerechnet heute Abend! – für die Fiskfabrik eine echte Katastrophe darstellte. Anni-Frid hatte recht, ohne Elektrizität konnten sie die Veranstaltung auch gleich absagen.
“Aber ich bitte Sie”, versuchte sie es deshalb noch einmal, “es muss doch auch noch eine andere Lösung geben. Ich …” Sie verstummte, als sie Magnus erblickte, der soeben die Fiskfabrik betrat. Für einen Moment verschlug sein Anblick ihr den Atem. Wieder einmal stellte sie fest, was für ein umwerfend attraktiver Mann er war. In seinen dunklen Hosen und dem eleganten Kaschmirpullover, der dieselbe Nuance von Blau aufwies wie seine Augen, vermittelte er den Eindruck, als käme er soeben vom Laufsteg einer Modenschau für elegante Freizeitmode.
Aber das gute Aussehen war nicht der einzige Grund, warum allein sein Erscheinen Jenny so aus dem Konzept brachte. In den vergangenen Tagen war es ihr mehr oder weniger erfolgreich gelungen, die Sache mit dem Kuss zu verdrängen. Doch jetzt, wo er ihr wieder gegenüberstand …
Er kam geradewegs auf sie zu und fragte: “Kann ich irgendwie helfen?”
“Ich fürchte, du hast den Weg völlig umsonst auf dich genommen. Wir werden alle Helfer nach Hause schicken können.” Mit einem resignierten Seufzen schüttelte sie den Kopf. “So wie die Dinge im Augenblick liegen, wird es keine Spendenparty geben.”
“Aber warum denn nicht? Mit den Vorbereitungen scheint ihr doch beinahe fertig zu sein.”
“Sie wollen uns den Strom abstellen”, klagte Anni-Frid, ehe Jenny antworten konnte. “Wir schulden dem Elektrizitätswerk noch die Rechnungsbeträge der vergangenen drei Monate. Und weil wir nicht zahlen können, wird der Herr hier uns jetzt vom Netz nehmen.”
“Ich verstehe. Das ist in der Tat ein Problem.” Magnus nickte ernst. “Ich habe leider kaum Geld bei mir, aber ich
Weitere Kostenlose Bücher