Dunkle Wünsche
seinen Ohren zu
trauen, es aber doch nicht wagte. »Ist das Ihr Ernst, Lieutenant?«
»Mein völliger Ernst«,
versicherte ich ihm und erklärte ihm dann, wie er Lubells Behauptung, er sei um
die fragliche Zeit in seinem Club gewesen, bei seinen Angestellten nachprüfen solle. Ich empfahl, auch die
Striptease-Tänzerinnen auszufragen, wenn ihm die Zeit dazu reiche, und er
zischte aus dem Büro wie ein geplatzter G-String, einen Ausdruck reiner
Seligkeit auf dem Gesicht.
Ich trat ins Büro des Sheriffs,
sah das Messer vor ihm auf dem Schreibtisch liegen und sah den Ausdruck auf
seinem Gesicht, der verriet, daß ich heute meinen ersten maßgeblichen Fehler
begangen hatte, als ich überhaupt aus meinem Bett aufgestanden war.
»Sanger hat seinen Bericht geliefert«,
schnaubte Lavers verächtlich. »Nichts als eine dicke, fette Niete! Keine
Abdrücke auf dem Messer. Die Fingerabdrücke im Zimmer stammen vom Opfer und von
Angela Palmer — was naheliegend ist, da sie das Haus mit der Brooks teilte — ,
und dazu eine Million lausiger Schmierflecken. Die Mordwaffe«, er schnaubte
erneut, »das wird Sie überraschen, Wheeler — ist ein Messer.« Er deutete
anklagend darauf. »Öffnen Sie jede beliebige Schublade in Pine City, und aller
Wahrscheinlichkeit nach werden Sie ein Messer finden, das genauso aussieht. Die Lädenketten verkaufen sie zu Millionen.«
»Ist das alles?« fragte ich.
»Das ist alles! Was für
Fortschritte haben Sie gemacht? Ich weiß, daß das eine idiotische Frage ist,
aber wenn ich sie nicht stelle, werden die Bürger von Pine City bei der
nächsten Wahl vielleicht glauben, es sei Zeit, für einen neuen Sheriff zu
sorgen.«
Ich erzählte ihm von Big Mike
und daß ich Slater statt Mason in dessen Unterschlupf in der Vierten Straße
aufgefunden hatte. Dann berichtete ich von Lubell und seinem Club und der Unterredung mit
Drury. Während meiner Darlegung durchlief sein Gesicht die gesamte
Ausdrucksskala von Ungläubigkeit, Zweifel bis zur Verblüffung. »Sie sind doch
nicht vielleicht LSD-süchtig geworden, Wheeler?« fragte er besorgt, als ich
geendet hatte.
»Wenn ich es nur wäre«, sagte
ich. »Denn dann hätte ich vielleicht eine Chance, geheilt zu werden.«
»Ein Phantasiegebilde«,
murmelte er. »Die ganze verdammte Sache ist nichts als ein Phantasiegebilde.
Dieser Neandertaler, geradewegs aus einem Horrorfilm des Nachtprogramms des
Fernsehens. Dieser Drury, der sich benimmt, als ob es in Pinie City keine
Strafverfolgungsbehörden gäbe, es sei denn, er kann sie zu seinen Zwecken
benutzen; Mason, der Zuhälter, der fortgesetzt verschwunden ist. Können Sie
sich das Ganze zusammenreimen?«
»Sie machen wohl Witze?« sagte
ich verbittert.
Er biß die Spitze einer neuen
Zigarre ab und rammte sie zwischen die Zähne, als wollte er sie ganz und gar
hinunterschlucken. Dann hielt er ein Zündholz ans andere Ende. »Irgendwo«,
sagte er entschieden, »muß es bei der Sache einen logischen Ausgangspunkt
geben.«
»Das ist es, was ich mir auch
schon die ganze Zeit über sage«, gestand ich. »Wahrscheinlich sage ich es mir
noch, wenn man mich in eine Zwangsjacke steckt und in die psychiatrische Klinik
abtransportiert.« Ich schloß flüchtig die Augen und versuchte, meine
durcheinanderwirbelnden Gedanken zu beruhigen. »Haben Sie je zuvor etwas von
diesem Drury gehört?«
»Nein«, sagte Lavers prompt.
»Wenn er an allen
verbrecherischen Geschäften der Stadt beteiligt ist, wie Lubell angedeutet hat,
dann hätten wir eigentlich von ihm hören müssen«, sagte ich langsam. »Aber wenn
er ein legales Unternehmen hat, wie er selber behauptet — und nach dem Büro zu
schließen, sieht es wirklich so aus — , dann besteht kein triftiger Grund,
weshalb wir von ihm gehört haben sollten. Oder?«
»Das klingt einigermaßen
logisch«, knurrte der Sheriff. »Was wir damit anfangen sollen, weiß ich nicht.«
»Ich auch nicht«, sagte ich. »Nur
wäre es vielleicht interessant, herauszufinden, ob Lubell gelogen hat, und wenn
ja, warum. Und da ist noch etwas; Mason ist der gemeinsame Faktor in der
Angelegenheit, er ist derjenige, der die anderen drei — Wagner, Lubell und Drury — der Brooks als
Kunden zugeführt hat.«
»Na klar«, Lavers nickte, »der
Zuhälter.«
»Wenn er ihr Zuhälter war, wie
kommt es dann, daß sie ihn zusammen mit den anderen in ihrem Kalender
aufgeführt hat — als gebenden Kunden?«
Der Sheriff dachte eine Weile
darüber nach, während sein Gesicht zunehmend mehr einfiel,
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