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Dunkler Dämon

Dunkler Dämon

Titel: Dunkler Dämon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeff Lindsay
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Mittagessen. Ich aß ein pfundschweres Steak, selbstverständlich gut durch, damit bestimmt kein Blut heraustropfte. Dann fuhr ich noch einmal bei Reiker vorbei, um mir den Ort bei Tageslicht anzusehen. Reiker mähte den Rasen. Ich drosselte die Geschwindigkeit, um einen beiläufigen Blick auf ihn zu werfen; leider trug er alte Turnschuhe, keine roten Stiefel. Sein Oberkörper war nackt, und trotz seiner Knochigkeit wirkte er wabbelig und blass. Egal, ich würde ihm bald genug ein wenig Farbe verleihen.
    Es war ein sehr befriedigender und produktiver Tag, mein Tag Davor. Und ich saß gerade in meine tugendhaften Gedanken gehüllt still in meiner Wohnung, als das Telefon läutete.
    »Guten Tag«, sprach ich in den Hörer.
    »Kannst du rüberkommen?«, fragte Deborah. »Wir haben noch einiges an Arbeit zu erledigen.«
    »Was für Arbeit?«
    »Sei kein Trottel«, sagte sie. »Komm schon rüber.« Und legte auf.
    Das war mehr als nur ein wenig ärgerlich. Erstens wusste ich von keiner unvollendeten Arbeit, und zweitens war ich mir nicht bewusst, ein Trottel zu sein – ein Ungeheuer, ja, aber insgesamt ein sehr angenehmes und manierliches Ungeheuer. Und als Krönung legte sie auf, nahm einfach an, ich hätte sie verstanden und würde zittern und gehorchen. Die hatte Nerven. Schwester hin oder her, brutale Knüffe oder nicht, ich zitterte vor niemandem.
    Aber ich gehorchte. Die kurze Fahrt zum Mutiny dauerte länger als gewöhnlich, da sich samstagnachmittags viele Leute ziellos durch die Straßen des Grove bewegen. Ich schlängelte mich langsam durch die Menge, wünschte mir, einfach das Gaspedal bis zum Boden durchtreten und in die wandernden Massen rasen zu können. Deborah hatte meine perfekte Laune verdorben.
    Es wurde auch nicht besser, als ich an die Penthousetür im Mutiny klopfte und sie mir mit ihrer Im-Krisenfall-im-Dienst-Miene öffnete, mit der sie aussah wie ein schlecht gelaunter Fisch. »Mach, dass du reinkommst,« sagte sie.
    »Jawohl, Master«, sagte ich.
    Chutsky saß auf dem Sofa. Er sah noch immer nicht britisch-kolonial aus – vielleicht der Mangel an Augenbrauen –, aber zumindest wirkte er, als hätte er sich entschlossen, weiterzuleben, demnach lief Deborahs Wiederaufbauprogramm ganz gut. An der Wand neben ihm lehnte eine Metallkrücke, und er trank Kaffee. Auf dem Beistelltisch stand ein Teller mit Plundergebäck. »He, Kumpel«, rief er und winkte mit seinem Stumpf. »Pack dir einen Stuhl.«
    Ich packte einen britisch-kolonialen Stuhl und setzte mich, nachdem ich mir außerdem ein paar Plunderteilchen gegriffen hatte. Chutsky sah mich an, als wollte er protestieren, aber ehrlich, es war das Mindeste, was sie für mich tun konnten. Immerhin hatte ich mich an Fleisch fressenden Alligatoren und einem kriegerischen Pfau vorbeigekämpft, um ihn zu retten, und jetzt, in diesem Augenblick, opferte ich meinen Samstag, um wer weiß was für eine widerwärtige Aufgabe zu übernehmen. Ich verdiente eine komplette Torte.
    »In Ordnung«, sagte Chutsky. »Wir müssen herausfinden, wo Henker sich versteckt, und zwar schnellstens.«
    »Wer?«, fragte ich. »Du meinst Dr. Danco?«
    »So lautet sein Name, ja. Henker«, sagte er. »Martin Henker.«
    »Und
wir
müssen ihn
finden?«,
fragte ich, erfüllt von einer bösen Vorahnung. Ich meine, warum sahen sie
mich
an, wenn sie »wir« sagten?
    Chutsky schnaubte kurz, als glaubte er, ich würde scherzen, und er hätte es verstanden. »Ja, richtig«, bestätigte er. »Was denkst du, wo er sein könnte, Kumpel?«
    »Eigentlich denke ich überhaupt nicht darüber nach«, antwortete ich.
    »Dexter«, mahnte Deborah mit einem warnenden Unterton.
    Chutsky runzelte die Stirn. Ohne Augenbrauen sah das sehr merkwürdig aus. »Wie meinst du das?«, erkundigte er sich.
    »Ich meine, ich sehe nicht ein, warum das noch mein Problem sein sollte. Ich sehe nicht ein, warum ich, oder von mir aus auch
wir,
ihn finden müssen. Er hat, was er wollte. Wird er nicht einfach aufhören und nach Hause gehen?«
    »Macht er Witze?«, fragte Chutsky Deborah, und wenn er Augenbrauen gehabt hätte, wären sie oben gewesen.
    »Er mag Doakes nicht«, sagte Deborah.
    »Ja, aber hör mal, Doakes ist einer von unseren Jungs«, sagte Chutsky zu mir.
    »Nicht von meinen«, erwiderte ich.
    Chutsky schüttelte den Kopf. »Gut, das ist dein Problem«, sagte er. »Trotzdem müssen wir diesen Kerl finden. Die ganze Angelegenheit hat auch eine politische Dimension, und wir sitzen tief in der Scheiße,

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