Dunkler Dämon
fragte Cody plötzlich.
Glücklicherweise hatte ich gerade nichts im Mund, woran ich hätte ersticken können, aber einen Moment lang hatte ich das Gefühl, als steckte mir etwas im Hals, etwas von der ungefähren Größe eines Thanksgiving-Truthahns. Als ich wieder Luft bekam, stammelte ich: »Warum fragst du?«
Er beobachtete nach wie vor seine Angel. »Mom meint, vielleicht«, sagte er.
»Tut sie das«, sagte ich, und er nickte, ohne aufzublicken.
Mir schwirrte der Kopf. Was dachte Rita sich? Ich war so mit der schweren Aufgabe beschäftigt gewesen, Doakes meine Tarnung aufs Auge zu drücken, dass ich niemals wirklich darüber nachgedacht hatte, was in Ritas Kopf vorging. Offensichtlich hätte ich das tun sollen. Konnte sie wirklich glauben, dass, dass – nicht auszudenken. Aber wenn man ein Mensch war, schien das auf sehr seltsame Weise logisch, nehme ich an. Glücklicherweise bin ich das nicht, und ich empfand die Idee als vollkommen bizarr.
Mom meint, vielleicht?
Vielleicht würde ich Codys Vater? Was bedeutete, äh …
»Nun«, sagte ich, was ein sehr guter Anfang war, wenn man bedachte, dass ich absolut keine Ahnung hatte, was ich als Nächstes sagen sollte. Zu meinem Glück riss etwas genau in dem Moment heftig an Codys Angelleine, in dem mir klar wurde, dass absolut nichts Vernünftiges aus meinem Mund kommen würde. »Du hast einen Fisch«, sagte ich, und die nächsten Minuten konnte er nichts anderes tun, als seine Angel zu umklammern, während sich die Schnur abwickelte. Der Fisch machte wilde, rasende Zickzackbewegungen nach rechts und links, schwamm unter das Boot und dann in gerader Linie zum Horizont. Aber langsam holte Cody ihn trotz dessen Ausbruchsversuche ein. Ich wies ihn an, die Angel hochzuhalten, die Schnur einzuholen, den Fisch dorthin zu bugsieren, wo ich den Schwimmer zu fassen bekommen und ihn an Bord hieven konnte. Cody sah zu, wie er auf das Deck platschte, während sein gegabelter Schwanz noch immer wild hin und her peitschte.
»Eine Stachelmakrele«, sagte ich. »Das ist echt ein wilder Fisch.« Ich beugte mich vor, um ihn vom Haken zu nehmen, aber er zappelte so heftig, dass ich ihn nicht zu fassen bekam. Ein dünner Blutstrahl floss aus seinem Maul auf mein sauberes, weißes Deck, was mich ein wenig aufregte. »Igitt«, sagte ich. »Ich glaube, er hat den Haken verschluckt. Wir müssen ihn rausschneiden.« Ich zog mein Filetiermesser aus seiner schwarzen Kunststoffscheide und legte es aufs Deck. »Gleich gibt’s eine Menge Blut«, warnte ich Cody. Ich mag Blut nicht, und ich wollte es nicht auf meinem Boot, nicht einmal Fischblut. Ich trat zwei Schritte nach vorn, öffnete den Trockenspind und nahm eins der alten Handtücher heraus, die ich zu diesem Zweck dort aufbewahrte.
»Ha«, hörte ich leise hinter mir. Ich drehte mich um.
Cody hatte das Messer genommen und in den Fisch gestochen und sah jetzt zu, wie dieser versuchte, der Klinge zu entkommen. Dann stieß er die Spitze sorgfältig wieder hinein. Dieses zweite Mal drang die Klinge tief in die Kiemen des Fischs, und ein Blutschwall ergoss sich auf das Deck.
»Cody«, sagte ich.
Er sah zu mir auf, und, Wunder über Wunder, er lächelte. »Angeln macht Spaß, Dexter«, sagte er.
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10
A m Montagmorgen hatte ich Deborah noch immer nicht erreicht. Ich rief wieder und wieder an, und obwohl mir der Klang des Pieptons so vertraut wurde, dass ich ihn summen konnte, reagierte Deborah nicht. Mein Frust wuchs: Hier hatte ich nun einen Weg aufgetan, mich aus dem Würgegriff von Doakes zu befreien, und kam nicht weiter als bis zu diesem Telefon. Von anderen abhängig zu sein ist einfach furchtbar.
Aber zu meinen vielen Pfadfindertugenden gehören unter anderem Ausdauer und Geduld. Ich hinterließ dutzendweise Nachrichten, alle heiter und gerissen, und diese positive Einstellung schien ihre Wirkung zu tun, denn endlich erhielt ich eine Antwort.
Ich hatte mich gerade an den Schreibtisch gesetzt, um den Bericht über einen Doppelmord zu beenden, nichts Aufregendes. Eine einzelne Waffe, vermutlich eine Machete, und ein paar Augenblicke wilder Hingabe. Die ersten Verletzungen waren beiden Opfern im Bett zugefügt worden, wo sie offensichtlich in flagranti ertappt worden waren. Der Mann hatte noch abwehrend den Arm gehoben, aber zu spät, um seinen Hals zu retten. Die Frau hatte es bis zur Tür geschafft, ehe ein Hieb in ihr Rückgrat einen Blutschwall gegen die Wand neben dem Türrahmen spritzen ließ. Reine Routine, diese
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