Dunkler Dämon
neben dem Eingang hatte er ein Kakteenbeet angelegt. Der gepflasterte Pfad zur Tür wurde von einer Reihe dieser mit Solarenergie gespeisten Lampen beleuchtet.
Ich war vor ungefähr einem Jahr schon einmal dort gewesen, als Vince aus irgendeinem Grund beschlossen hatte, ein Kostümfest zu feiern. Ich hatte Rita mitgenommen, schließlich besteht der Sinn eines Deckmantels darin, ihn zu tragen. Sie war als Peter Pan gegangen, und ich war natürlich Zorro: der Dunkle Rächer mit der raschen Klinge. Vince hatte uns die Tür geöffnet, umwallt von einer Satinrobe, einen Obstkorb in der Hand.
»J. Edgar Hoover?«, riet ich.
»Nur knapp daneben. Carmen Miranda«, hatte er geantwortet, ehe er uns zu einem Springbrunnen mit tödlicher Fruchtbowle führte. Ich hatte einen Schluck getrunken und beschlossen, bei Wasser zu bleiben, aber das war natürlich vor meiner Verwandlung in einen bierschluckenden, heißblütigen Kerl gewesen. Im Hintergrund lief ohne Unterbrechung Technopop, in einer Lautstärke, deren Wirkung einer freiwilligen Lobotomie gleichkam, und die Party war immer lauter und ausgelassener geworden.
Soweit ich wusste, hatte Vince seitdem kein Fest mehr gegeben, zumindest nicht in dieser Größenordnung. Doch die Erinnerung lebte fort, und Vince hatte keine Mühe gehabt, eine begeisterte Menge aufzutreiben, die der Feier meiner Erniedrigung beiwohnte, obwohl sie erst vierundzwanzig Stunden vorher eingeladen worden war. Getreu seinem Versprechen liefen auf überall im Haus aufgestellten Bildschirmen schmutzige Filme, selbst draußen auf der Terrasse. Und selbstverständlich war auch der Fruchtbowle-Springbrunnen wieder dabei.
Und da die Gerüchte über die erste Party noch immer kursierten, war das Haus gesteckt voll mit ungehobelten Leuten, größtenteils Männern, die die Bowle in Angriff nahmen, als hätten sie gehört, dass es einen Preis für den ersten Teilnehmer gab, dem es gelang, sich einen bleibenden Hirnschaden anzusaufen. Einige der Feiernden kannte ich sogar. Angel-keine-Verwandtschaft war direkt von der Arbeit gekommen, zusammen mit Camilla Figg und ein paar anderen Labortechnikern und einigen Polizisten, die ich kannte, einschließlich der vier, die es Sergeant Doakes nicht versaut hatten. Den Rest der Meute schien Vince zufällig in South Beach aufgelesen zu haben, wobei das Auswahlkriterium offensichtlich die Fähigkeit gewesen war, laut und durchdringend JUHU schreien zu können, wenn die Musik sich änderte oder ein Bildschirm eine besonders würdelose Szene zeigte.
Es währte nicht lang, und die Party hatte ein Stadium erreicht, das wir alle noch sehr, sehr lange bedauern würden. Gegen Viertel vor neun war ich der Einzige, der noch ohne fremde Hilfe aufrecht stehen konnte. Die meisten Polizisten hatten draußen am Springbrunnen einen Kreis mit sich rasch hebenden Ellbogen gebildet. Angel-keine-Verwandtschaft lag mit einem seligen Lächeln im Gesicht tief schlafend unter einem Tisch. Seine Hose war verschwunden, und jemand hatte ihm quer über den Kopf einen Streifen Haare abrasiert.
So wie die Dinge lagen, hielt ich es für den idealen Zeitpunkt, unbeobachtet hinauszuschlüpfen und nachzusehen, ob Sergeant Doakes schon eingetroffen war. Wie sich jedoch herausstellte, hatte ich mich geirrt. Ich hatte erst zwei Schritte in Richtung Eingang getan, als sich von hinten ein schweres Gewicht auf mich senkte. Ich drehte mich hastig um und stellte fest, dass Camilla Figg versuchte, sich um meinen Rücken zu schlingen. »Hi«, sagte sie mit einem strahlenden und irgendwie verschwommenen Lächeln.
»Hallo«, erwiderte ich munter. »Kann ich dir was zu trinken holen?«
Sie sah mich stirnrunzelnd an. »Ich will nichs su trinken. Wolle nur ma Hallo sagen.« Das Stirnrunzeln vertiefte sich. »Jesus, bissu süß«, nuschelte sie. »Wollt ich dir imma scho ma sagen.«
Nun, das arme Ding war offensichtlich betrunken, aber selbst dann … Süß? Ich? Ich vermute, zu viel Alkohol beeinträchtigt das Sehvermögen, aber ehrlich – was könnte an jemandem süß sein, der sein Gegenüber lieber aufschlitzt, als ihm die Hand zu schütteln? Und außerdem hatte ich mein Frauenlimit mit Rita bereits überschritten. Soweit ich mich erinnern konnte, hatten Camilla und ich nie mehr als drei Worte miteinander gewechselt. Sie hatte niemals zuvor meine vermeintliche Niedlichkeit erwähnt. Tatsächlich schien sie mir aus dem Weg zu gehen, lieber zu erröten und den Blick abzuwenden, als mir einfach einen Guten Morgen
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