Dunkler Dämon
meine Aufmerksamkeit wartete? So einfach, so sicher – warum eigentlich nicht? Eine vollkommene Nacht für dunkle, ungetrübte Freuden, der Mond war beinahe voll, das kleine fehlende Stück verlieh dem Ganzen eine lässige, informelle Atmosphäre. Das drängende Flüstern bestätigte mich, schwoll zu einem zischenden, fordernden Chor.
Es war alles da. Zeit und Ziel und ein fast voller Mond und sogar ein Alibi, und der Druck wurde nun schon so lange immer stärker, dass ich meine Augen schließen und alles geschehen lassen konnte, auf Autopilot das herrliche Ereignis durchleben. Und dann die süße Erlösung, das Nachglühen butterweicher Muskeln, deren sämtliche Verspannungen sich gelöst hatten, der erste richtige Schlaf seit viel zu langer Zeit. Und am nächsten Morgen würde ich ausgeruht und erleichtert Deborah …
Ach, Deborah. Da war doch was, nicht wahr?
Sollte ich Deborah erzählen, dass ich die plötzliche Gelegenheit einer doakesfreien Zone ergriffen hatte und voller VERLANGEN mit einem Messer in die düstere Dunkelheit gedüst war, während die letzten Finger ihres Liebhabers auf dem nächsten Abfallhaufen landeten? Obwohl meine inneren Cheerleader darauf bestanden, dass es in Ordnung sei, glaubte ich irgendwie nicht, dass sie es gutheißen würde. Es konnte durchaus sein, dass es das Ende meiner Beziehung zu meiner Schwester bedeutete, vielleicht eine leichte Fehleinschätzung, aber die würde sie mir bestimmt nur schwer vergeben. Ich konnte zwar nicht eigentlich lieben, aber mir lag doch viel daran, dass Debs relativ glücklich mit mir war.
Und so blieben mir wieder einmal nichts anderes, als mich tugendhaft in Geduld zu üben, und das Gefühl geduldig leidender Rechtschaffenheit. Trübsinniger, treu dienender Dexter.
Bald ist es so weit,
versicherte ich meinem anderen Selbst.
Früher oder später ist es so weit
.
Es wird passieren, wir müssen nicht ewig warten, aber zuerst das hier
. Selbstverständlich war die Antwort ein Grollen, weil es schon so lange wartete, aber ich besänftigte das Knurren, rüttelte mit falscher Munterkeit an den Gitterstäben und zog mein Handy heraus.
Ich wählte die Nummer, die Doakes mir gegeben hatte. Nach einem Moment ertönte ein Klingelzeichen, und dann nichts, nur ein schwaches Rauschen. Ich tippte den langen Zugangscode ein, hörte ein Klicken, und eine neutrale weibliche Stimme sagte: »Nummer.« Ich gab der Stimme Doakes’ Handynummer. Eine Pause, und dann las sie mir einige Koordinaten vor, die ich hastig auf den Block kritzelte. Die Stimme zögerte und fügte dann hinzu: »Es bewegt sich in Richtung Westen, mit einer Stundengeschwindigkeit von 65 Meilen.« Dann war die Leitung tot.
Ich habe nie behauptet, ein Navigationsexperte zu sein, aber ich besitze ein kleines Navigationssystem, das ich auf meinem Boot einsetze. Es ist sehr nützlich, um gute Angelplätze zu markieren. Deshalb gelang es mir, die Koordinaten einzugeben, ohne mir den Kopf zu stoßen oder eine Explosion auszulösen. Das System, das Doakes mir gegeben hatte, war weiter entwickelt als meines, auf dem Display erschien eine Landkarte. Die Koordinaten verwandelten sich in die Interstate 75, in Richtung Alligator Alley, den Korridor an der Westküste Floridas.
Ich war leicht überrascht. Die Everglades bilden den größten Teil der Landschaft zwischen Naples und Miami, ein Sumpf, unterbrochen von kleinen Flecken halbtrockenen Landes. Er war voller Schlangen, Alligatoren und indianischen Kasinos, weswegen er nicht gerade als idealer Ort erschien, um sich zu entspannen und eine friedliche Zerstückelung zu genießen. Aber das Navigationssystem konnte nicht lügen, und die Stimme am Telefon vermutlich auch nicht. Falls die Koordinaten falsch waren, lag das an Doakes, und er war sowieso verloren. Mir blieb keine Wahl. Ich hatte ein schlechtes Gewissen, weil ich von der Party verschwand, ohne mich bei meinem Gastgeber bedankt zu haben, aber ich stieg in den Wagen und fuhr Richtung I-75.
Innerhalb weniger Minuten war ich auf der Schnellstraße und fuhr rasch in Richtung Norden zur I-75. Wenn man auf der I-75 nach Westen fährt, wird der Stadtgürtel immer dünner. Kurz vor der Mautstelle zur Alligator Alley folgt eine abschließende Explosion von Einkaufszentren und Häusern. Vor der Mautstelle fuhr ich an den Straßenrand und wählte erneut die Nummer. Dieselbe neutrale Frauenstimme gab mir einen Koordinatensatz durch und legte dann auf. Ich verstand das als Bestätigung, dass sie nicht
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