Dunkler Dämon

finsterer es wurde, desto mehr erschien die ganze Angelegenheit wie ein hoffnungsloses Selbstmordkommando. Die Situation erforderte eindeutig eine Einheit Ledernacken, keine gelegentlich mörderische Laborratte. Für wen hielt ich mich eigentlich? Für Sir Dexter, den Kühnen, der zur Rettung herbeigaloppierte? Was konnte ich denn ausrichten? Und was das anging, was konnte irgendjemand tun, außer zu beten?
    Selbstverständlich betete ich nicht. Zu was sollte jemand wie ich beten, und was sollte mir zuhören? Und wenn ich Etwas fand, was auch immer Es war, warum sollte es mich nicht auslachen oder einen Blitz auf mich schleudern? Es wäre sicherlich sehr tröstlich, zu einer Art höherer Macht aufzusehen, aber ich kannte eigentlich nur eine höhere Macht. Und obgleich er stark war und geschmeidig und gerissen und sehr gut darin, leise in der Nacht zu jagen, würde der Dunkle Passagier ausreichen?
    Laut Navigationssystem hatte ich mich Doakes bis auf eine Viertelmeile genähert, oder zumindest seinem Handy, als ein Tor den Weg versperrte. Es war eines von diesen breiten Aluminiumtoren, die man in der Milchtierhaltung einsetzt, um die Kühe am Streunen zu hindern. Aber das hier war kein Milchwirtschaftsbetrieb. Auf einem Schild an dem Tor stand:
    BLALOCK ALLIGATORENFARM
    Unbefugte werden gefressen
    Es schien ein sehr guter Ort für eine Alligatorenfarm, was ihn nicht zu der Sorte Ort machte, an dem ich sein wollte.
    Ich schäme mich, es zuzugeben, aber obwohl ich mein ganzes Leben in Miami verbracht habe, weiß ich nur sehr wenig über Alligatorenfarmen. Streiften die Tiere frei durch das sumpfige Gelände, oder wurden sie irgendwo eingesperrt? Im Moment schien das eine äußerst wichtige Frage zu sein. Konnten Alligatoren im Dunkeln sehen? Und wie hungrig waren sie im Allgemeinen? Alles gute Fragen und von großer Bedeutung.
    Ich schaltete die Scheinwerfer aus, hielt an und stieg aus. In der plötzlichen Stille vernahm ich das Klicken des Motors, das Sirren der Mücken und in der Ferne Musik, die aus einem winzigen Lautsprecher plärrte. Sie hörte sich kubanisch an. Tito Puente möglicherweise.
    Der Doktor war da.
    Ich näherte mich dem Tor. Auf der anderen Seite lief der Weg weiter geradeaus über eine Holzbrücke und dann in ein Wäldchen. Durch die Zweige schimmerte Licht. Im Mondlicht badende Alligatoren sah ich nicht.
    Nun, Dexter, da wären wir. Was würdest du heute Abend gern machen? Im Moment schien Ritas Sofa gar kein schlechter Aufenthaltsort. Besonders verglichen damit, hier nachts allein in der Wildnis zu stehen. Auf der anderen Seite des Tors lauerten ein wahnsinniger Vivisektionist, Rudel heißhungriger Reptilien und ein Mann, den ich retten sollte, obgleich er mich töten wollte. Und in dieser Ecke, in schwarzen Hosen, der Allmächtige Dexter.
    Sicherlich stellte ich diese Frage in letzter Zeit schrecklich oft, aber warum immer ich? Ich meine, ehrlich. Ich sollte mich dem stellen, um ausgerechnet Sergeant Doakes zu retten? Hallo? Mit diesem Bild stimmt doch irgendwas nicht? Wie zum Beispiel, dass ich darauf zu sehen bin?
    Nichtsdestotrotz war ich hier und konnte es genauso gut hinter mich bringen. Ich kletterte über das Tor und machte mich auf den Weg zum Licht.
    Die normalen nächtlichen Geräusche kehrten allmählich zurück. Zumindest nahm ich an, dass sie für diesen wilden Urwald hier draußen normal waren. Unsere insektoiden Freunde klickten, summten und surrten, und ich vernahm einen trauernden Schrei, von dem ich aufrichtig hoffte, dass ihn eine Eule ausgestoßen hatte; eine kleine, bitte. Im Gebüsch links von mir raschelte etwas und verharrte dann schweigend. Zu meinem Glück stellte ich fest, dass ich in meinen Nachtjägergang schaltete, statt wie ein menschliches Wesen nervös zu werden und mich zu ängstigen. Die Geräusche verklangen, die Bewegungen um mich herum verlangsamten sich, und alle meine Sinne schienen sich zu schärfen. Die Dunkelheit wurde etwas heller, Einzelheiten sprangen mir aus der umgebenden Nacht ins Auge, und direkt unter der Oberfläche meines Bewusstseins begann ein kaltes, sorgsam stilles Kichern zu schwellen. War der arme unverstandene Dexter nicht in seinem Element, wuchs ihm die Sache über den Kopf? Zeit, den Passagier ans Steuer zu lassen. Er wusste, was zu tun war, und er würde es tun.
    Und warum auch nicht? Am Ende dieses Wegs, jenseits der Brücke, wartete Dr. Danco auf uns. Ich hatte ihn kennen lernen wollen, und nun war es so weit. Harry wäre mit