Dunkler Dämon
länger unterwegs waren. Laut der Landkarte hatten es sich Doakes und Dr. Danco mitten in einer unkartierten sumpfigen Wildnis ungefähr vierzig Meilen vor mir gemütlich gemacht. Danco kannte ich nicht, aber irgendwie konnte ich mir nicht vorstellen, dass Doakes besonders gut auf dem Wasser schwamm. Demnach konnte das Navigationssystem vielleicht doch lügen. Doch ich hatte eine Aufgabe, deshalb ordnete ich mich wieder ein, zahlte die Maut und fuhr weiter gen Westen.
An einem Punkt parallel zu der Stelle auf der Karte bog eine kleine Zugangsstraße nach rechts ab. Sie war im Dunkeln fast unsichtbar, zumal ich fast siebzig Meilen die Stunde fuhr. Aber als ich sie an mir vorbeifliegen sah, bremste ich scharf ab und kehrte um, um sie näher zu betrachten. Es handelte sich um einen einspurigen Feldweg, der über eine baufällige Brücke geradeaus in die Finsternis der Everglades führte. Zwischen den ausgefahrenen Reifenspuren wucherte kniehoch das Unkraut. Am Rande der Dunkelheit hingen die Zweige niedriger Bäume über den Pfad, und das war alles.
Ich dachte darüber nach, auszusteigen und nach Spuren zu suchen, bis mir klar wurde, wie albern das war. Hielt ich mich für Tonto, den zuverlässigen indianischen Fährtenleser? Es war mir unmöglich, anhand eines abgebrochenen Zweigs zu verkünden, wie viele weiße Männer in der vergangenen Stunde vorbeigekommen waren. Vielleicht hielt Dexters treu dienendes, aber uninspiriertes Gehirn ihn für Sherlock Holmes, fähig, aus der Untersuchung der Reifenspuren den Schluss zu ziehen, dass ein linkshändiger Buckliger mit roten Haaren und verkrüppeltem Fuß mit einer kubanischen Zigarre und einer Ukulele in der Hand den Weg hinabgehumpelt war. Die traurige Wahrheit lautete, dass dieser Weg mich entweder zu ihnen führte oder ich für den Rest der Nacht erledigt war, und Doakes für beträchtlich längere Zeit.
Nur um ganz sicherzugehen – oder um zumindest keine Schuldgefühle aufkommen zu lassen –, rief ich noch einmal bei Doakes’ supergeheimer Telefonnummer an. Die Stimme gab mir dieselben Koordinaten und legte auf; wo immer sie sich befanden, sie waren nach wie vor dort, diese düstere und dreckige schmale Straße hinunter.
Mir blieb anscheinend keine Wahl. Die Pflicht rief, und Dexter musste gehorchen. Ich kurbelte am Steuer und machte mich auf den Weg.
Dem Navigationssystem zufolge musste ich fünfeinhalb Meilen fahren, ehe ich erreichte, was auch immer mich erwartete. Ich blendete die Scheinwerfer ab und fuhr langsam, während ich aufmerksam die Straße musterte. Das ließ mir viel Zeit zum Nachdenken, was nicht immer gut ist. Ich dachte darüber nach, was wohl am Ende des Weges liegen mochte und was ich tun würde, wenn ich dort angekommen war. Und obgleich das der denkbar schlechteste Zeitpunkt war, wurde mir bewusst, dass ich nicht die geringste Ahnung hatte, was ich tun sollte, wenn ich Dr. Danco wirklich am Ende dieses Weges fand. »Sie holen mich ab«, hatte Doakes gesagt, und es klang einfach genug, bis man in einer finsteren Nacht in die Everglades fuhr und keine bedrohlichere Waffe als einen Stenoblock mit sich führte. Und Dr. Danco hatte anscheinend keine großen Schwierigkeiten gehabt, die anderen zu entführen, trotz der Tatsache, dass sie zähe, gut bewaffnete Kunden gewesen waren. Wie konnte der arme, hilflose Dussel Dexter hoffen, ihn zu überwältigen, wenn schon der mächtige Doakes so rasch gefallen war?
Und was sollte ich tun, falls er mich schnappte? Ich glaubte nicht, dass ich eine besonders gute jodelnde Kartoffel abgab. Ich war nicht sicher, ob ich verrückt werden konnte, da einige echte Autoritäten höchstwahrscheinlich sagen würden, dass ich es bereits war. Würde ich trotzdem zerbrechen, gurgelnd meinen Verstand verlieren und das Land der Endlosen Schreie betreten? Oder würde ich aufgrund dessen, was ich bin, bewusst miterleben, was mit mir geschah? Ich, mein kostbares Ich, gefesselt auf einem Tisch, die Seziertechnik kritisierend? Die Antwort würde mir mit Sicherheit viel darüber verraten, was ich war, aber ich beschloss, dass ich diese Antwort gar nicht so dringend wissen wollte. Allein der Gedanke löste beinahe ein echtes Gefühl in mir aus, und nicht von der Art, für die man dankbar ist.
Die Nacht hatte sich gesenkt, und das war gar nicht gut. Dexter ist ein Stadtjunge, gewöhnt an strahlende Lichter und ihre dunklen Schatten. Je weiter ich diesen Weg hinunterfuhr, desto finsterer schien es zu werden, und je
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