Dunkler Engel
hätte auch gerne einen Mann, der sich auf diese Art und Weise nicht für mich interessiert.«
Rachel seufzte. »Ich habe ja gesagt, dass es sich verrückt anhört.«
Sie stürzte ihren Wein in einem Zug hinunter.
Lana, Beth und Kim schauten erst sie, dann sich selber gegenseitig an.
»Es gab jetzt sehr lange niemanden in deinem Leben, Rachel«, sagte Lana, während sie Wein nachgoss. »Vielleicht hast du einfach nur Angst. Du suchst ja förmlich nach etwas, das mit ihm nicht stimmt.«
»Genau«, stimmte Kim ihr zu. »Vielleicht solltest du alles einfach so hinnehmen, wie es ist. Hör auf, den armen Mann zu sehr zu analysieren.«
»Vielleicht habt ihr recht. Ich weiß es nicht. Ich denke, ich werde einfach abwarten und sehen, was passiert.«
Sie wünschte, sie könnte ihnen von den unmoralischen Geschäften erzählen. Aber das wollte sie nicht, und alleine das führte dazu, dass sie sich unwohl fühlte. Sie teilten immer alles miteinander - Gutes und Schlechtes. Es gab keine Geheimnisse. Warum erzählte sie es ihnen also nicht? Sie redete sich selber ein, dass sie es nicht verstehen würden. Immer wenn Rachel anfing, von ihrem Job zu erzählen, rollten sie die Augen und zogen sie auf. Aber tief in ihrem Inneren wusste sie, dass sie es nicht tat, weil sie sich schämte. Sie wären schockiert und würden versuchen, ihr das auszureden.
»Hey, Süße, jetzt rede ich!« Beth schwang ihre Salatgabel vor Rachels Nase. »Ich finde es nicht richtig, was Lana sagt. Ich denke, du solltest auf deine Intuition hören. Ich meine, mal ehrlich, wie viel weißt du denn eigentlich von diesem Typen? Weißt du überhaupt, womit er sein Geld verdient?«
»Nein, nicht genau«, gab Rachel zu. »Er hält sich, was seine Geschäfte angeht, ziemlich bedeckt. Nicht nur mir sondern auch allen anderen gegenüber.«
»Aber davon sollte er dir erzählen. Du solltest seine Vertraute sein«, wandte Beth ein.
»Überstürzen wir die Dinge hier nicht ein wenig?«, fiel Lana ihr ins Wort. »Vielleicht ist er einfach einer dieser Menschen, die Privates gerne vom Geschäftlichen trennen - zumindest am Anfang einer Beziehung? Ich meine, man muss doch nicht jedes kleinste Detail direkt am Anfang enthüllen? Rachel wird das alles noch früh genug erfahren. Ich für meinen Teil wäre nicht so scharf darauf, alle seine schlechten Gewohnheiten und Neurosen kennen zulernen.«
»Können wir jetzt nicht über etwas anderes sprechen?«, bat Rachel.
»Gut«, sagte Beth mit einem Zwinkern und einem hämischen Grinsen. »Erzähle uns mehr von dem traumhaften Portier, der dich vor einem schlimmen Schicksal bewahrt hat.«
»Er hat mich vor einem Taschendieb im Teenageralter gerettet«, sagte Rachel.
»Wie auch immer!« Beth winkte mit einem Brötchen in der Hand ab.
Rachel schüttelte den Kopf. »Er ist immer noch der Portier, also sehe ich ihn jeden Tag. Wir reden allerdings nicht viel miteinander.
Er geht mit meiner Katze Gassi.«
»Wow! Höfische Liebe und ein Katzenfreund«, sagte Kim. »Und das, obwohl du veranlassen wolltest, dass er gefeuert wird, nachdem er dir das Leben gerettet hatte.«
»Er hat mir nicht das Leben gerettet! Und ich habe mich entschuldigt...«
»Vielleicht hast du deine Gefühle für Derek unterdrückt, und Zanus spürt das unbewusst und verhält sich deshalb so kühl und geschäftsmäßig«, vermutete Beth.
»Ich hege keine unterdrückten Gefühle für Derek«, fing Rachel an und hielt dann inne.
Manchmal, wenn sie nach einem ermüdenden und nervtötenden Arbeitstag spät nach Hause kam und er sie so freundlich, zärtlich und besorgt ansah, empfand sie das Bedürfnis, ihren Kopf an seine Brust zu lehnen und sich von ihm umarmen und festhalten zu lassen, bis all die bösen Dinge aus ihrem Leben verschwanden.
Dieser Gedanke trieb ihr Tränen in die Augen, und sie nahm noch einen Schluck Wein.
»Danke für eure Hilfe«, sagte Rachel. »Lasst uns zur Abwechslung mal über jemand anderes reden. Kim, erzähle uns von diesen obszönen Faxen, über die du in der Arbeit gestolpert bist.«
Ihre Freundinnen tauschten weitere Blicke aus, und nach ihrer nonverbalen Übereinkunft war Rachel für diesen Abend aus dem Schneider. Sie fingen an, über Kim zu reden.
Rachel wusste, dass ihre Freundinnen es nur gut meinten. Sie beschützten sich gegenseitig, und sie alle genossen es, ihre jeweiligen Beziehungen zu analysieren. Obwohl Rachel manchmal lieber jemanden gehabt hätte, der nur zuhörte und ihr nicht direkt seine Meinung
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