Dunkler Engel
Schulter. Sie schluchzte nicht. Sie weinte leise, und das war viel schlimmer. Er beobachtete, wie ihr die Tränen die Wangen hinunterliefen. Er spürte ihre Wärme, spürte das Zittern ihres Körpers an seinem. Er roch den Duft ihrer Haare, die seine Wange berührten, und spürte ihre weichen Brüste, die sich an seinen Körper pressten. Er wurde überwältigt von Verlangen und Liebe und Mitleid und Wut, sodass es sich für einen Moment so anfühlte/als würde sein Herz vor Schmerz zerreißen. Dem Schmerz des Verlangens. Dem Schmerz der Enttäuschung.
Diese Wut hatte er nicht mehr empfunden, seit Gott ihn vor so langer Zeit verlassen hatte. Wenn er es gekonnt hätte, wäre er in diesem Augenblick in den Himmel gestürmt und hätte sich wütend vor den Thron des Herrn gestellt und den Himmel verflucht.
Das konnte er jedoch nicht. Das würde die Dinge nur noch schlimmer machen. Und außerdem konnte er Rachel nicht alleinlassen.
Er begleitete sie zu ihrem Apartment, wobei er den Arm um sie legte und sie stützte. Sie sagte nichts, aber es schien, als würde sie sich in seiner Nähe wohl fühlen. Als sie an ihrer Tür ankamen, sah sie zu ihm auf.
»Danke, Derek. Sie haben sich als ein echter Freund erwiesen. Sie sollen wissen, dass ich das sehr schätze.«
Sie steckte ihren Schlüssel ins Schloss.
»Lassen Sie mich Ihnen helfen«, sagte er.
Sie drehte sich um und sah ihn an. »Das tun Sie doch«, sagte sie.
»Einfach dadurch, dass Sie da sind.«
Sie öffnete die Tür. Derek wartete draußen, um sicherzugehen, dass alles in Ordnung war.
Sampson war da. Er hatte die Krallen ausgefahren, den Rücken gekrümmt, den Schwanz wie eine Flaschenbürste nach oben gerichtet und war bereit anzugreifen.
»Alles in Ordnung, Sampson«, sagte Rachel und bückte sich, um die Katze auf den Arm zu nehmen. »Es ist Derek. Nicht Zanus.«
Sie rieb ihre Wange an Sampsons Kopf. »Man sagt, dass Tiere gute Menschenkenner sind. Sampson hat Zanus noch nie gemocht. Ich hätte es wissen müssen.«
»Versuchen Sie, ein wenig zu schlafen«, riet Derek ihr.
Rachel schüttelte den Kopf. »Ich bin so durcheinander, dass ich nicht sicher bin, ob ich das kann. Außerdem muss ich eine Entscheidung treffen. Gute Nacht, Derek. Danke noch mal.«
Sie schloss die Tür.
Sampsons Stimme ertönte in Dereks Kopf. »Wird Rachel heute Nacht sicher sein?«, fragte Sampson ängstlich.
»Ich hoffe«, sagte Derek und seufzte. »Ich weiß es allerdings nicht.
Sie hat Zanus gesagt, dass sie nicht zustimmen wird, aber er hat sie ziemlich fest im Griff. Ich bin nicht ganz sicher, was sie machen wird.«
»Und was machen wir!«,, fragte Sampson.
»Unsere Befehle lauten, dass wir nichts tun sollen«, sagte Derek grimmig.
»Na gut, wenn wir nichts tun sollen, gibt es dann irgendjemanden, der etwas unternimmt?«, fragte Sampson. »Das hoffe ich«, sagte Derek. »In der Tat hoffe ich das.«
SECHZEHN
Als Derek wieder in die Lobby kam, war der Nachtportier bereits im Dienst. Derek erzählte ihm, dass es Probleme gegeben hatte zwischen einer Bewohnerin und einem Mann, der sie belästigte. Auf gar keinen Fall durfte dieser Mann wieder in das Gebäude hereingelassen werden. Derek gab dem Nachtportier eine genaue Beschreibung von Zanus und ging zu seinem Apartment. Er schritt auf und ab, überdachte die ganze Situation und kam zu einem unglücklichen Schluss. Während Zanus Rachel kein Härchen krümmen würde, weil er sie für seine ruchlosen Pläne brauchte, brauchte Zanus Derek keinesfalls. Und er betrachtete Derek zweifellos als ernsthafte Bedrohung. Er fragte sich, was Zanus ihm wohl antun würde, und nahm an, dass es etwas Ekelhaftes wäre.
Derek ging immer noch auf und ab, als sein Telefon klingelte. Er starrte es an. Er hatte so viel über Zanus nachgedacht, dass er glaubte, der Anruf hätte etwas mit dem Erzfeind zu tun. Derek warf einen Blick auf die Uhr an der Wand. Es war nach Mitternacht.
Er nahm den Hörer ab. »Ja«, sagte er vorsichtig. »Derek, ich bin's, William.«
»Was gibt es?«, fragte Derek alarmiert. William rief ihn sonst nie an.
»Ich wollte dir dieselbe Frage stellen?« William klang aufgeregt.
»Was hast du heute Nacht gemacht?«
Derek zuckte mit den Schultern. »Ich? Nichts.«
»Derek«, erwiderte William. »Du kannst mich nicht anlügen. Ich bin der Weihnachtsmann. Ich weiß, ob du lieb oder böse warst...«
»Es könnte schon sein, dass ich eine kleine Auseinandersetzung mit Zanus hatte«, sagte Derek.
»Es könnte schon
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