Dunkler Fremder
unter dem
Fenster lag, hob den Kopf und sah ihm mißtrauisch entgegen. Laura
Faulkner beschwichtigte das Tier mit gedämpfter Stimme und warf
ihren Regenmantel auf einen Stuhl.
In jeder Ecke des Raums standen Stapel von Bildern
wahllos gegen die Wände gelehnt, und auf einer Staffelei beim
Fenster ruhte ein unvollendetes Landschaftsbild in Öl. Shane
zündete sich eine Zigarette an und deutete mit dem Kopf auf das
Bild. »Bestreiten Sie damit Ihren Lebensunterhalt?«
Sie lachte flüchtig. »Nein. Mehr als alles
andere ist das ein Hobby. Ich arbeite freiberuflich als Designer
für Industrieerzeugnisse, praktisch alles von Möbeln bis zu
Materialbearbeitung.« Sie gab dem Hund einen Klaps und setzte
sich neben ihn auf den Diwan. »Aber wir sind nicht hier, um uns
darüber zu unterhalten, wie ich mein Geld verdiene. Sie haben
etwas über meinen Bruder gesagt, was mich sehr überrascht
hat.«
Er nickte. »Was hat das Kriegsministerium Ihnen
genau mitgeteilt, als es Sie von seinem Tod benachrichtigte?«
Sie hob die Schultern. »Daß er im Juni
1952 im Kampf gefallen sei. Am Yalu River soll es gewesen sein, glaube
ich.«
Shane zog sein Notizbuch aus der Tasche und
blätterte darin. »Sagen Ihnen die folgenden vier Namen
irgend etwas?« fragte er. »Adam Crowther, Joe Wilby, Reggie
Steele und Charles Graham?«
Sie schüttelte den Kopf, die Augenbrauen leicht
zusammengezogen. »Nein, nicht daß ich wüßte.
Sollte ich diese Leute kennen?«
Er steckte das Notizbuch wieder ein und hob
flüchtig die Schultern. »Sie waren alle mit ihrem Bruder
zusammen, als er starb, und sie leben alle in Burnham.«
Sie runzelte die Stirn. »Aber ist das nicht mehr oder weniger ein ungewöhnlicher Zufall?«
Er schüttelte den Kopf. »Als der Koreakrieg
begann, erließ die Regierung einen Aufruf, sich freiwillig zu
melden. An diesem Tag saß ich in einer kleinen Bar in einer
Nebenstraße in der Nähe der Universität. Dort habe ich
Ihren Bruder kennengelernt. Ich hatte gerade meinen Job als Texter bei
einer Werbeagentur in Manchester verloren, und auf dem Weg nach London
war ich auf der Durchreise in Burnham. Simon und ich fingen an, uns
gegenseitig zu Drinks einzuladen, und als dann im Radio der Appell der
Regierung verlesen wurde, waren wir beide halb betrunken. Er hatte
seine Stellung satt, und ich hatte keine, und so sind wir dann zusammen
zu dem Rekrutierungsbüro gegangen.«
»Und in diesem Zustand wurden Sie angenommen?« fragte sie ungläubig.
»Nicht nur wir, sondern Dutzende andere
auch«, antwortete er. »Und alle waren aus Burnham, und wir
wurden alle demselben Infanterieregiment zugeteilt.«
»Und Sie waren dann die ganze Zeit über mit meinem Bruder zusammen?«
Er lächelte flüchtig und öffnete seinen
Manschettenknopf. Als er den Hemdsärmel hochzog, sah sie,
daß auf seinem Unterarm in rot und grün eine Schlange
tätowiert war und darunter der Schriftzug »Simon und Martin
– Freunde fürs Leben«.
In ihren Augen funkelte etwas, das man beinahe
für Belustigung halten konnte, und ihre Lippen zitterten leicht.
»War das nicht ziemlich albern?«
Er grinste. »Um die Wahrheit zu gestehen, wir
waren auch bei dieser Gelegenheit ziemlich betrunken. In Singapur
hatten wir Landurlaub. Es war die letzte Station, bevor wir nach Korea
kamen, und …« Er hob die Schultern. »Wir
mußten auf das Schiff zurückgetragen werden. Als wir am
nächsten Morgen wieder nüchtern waren, hatten wir beide die
Schlange auf dem Arm.«
»Und was geschah dann?« fragte sie.
Er zögerte und zündete sich wieder eine
Zigarette an. »Nichts von besonderer Bedeutung. Eben das
Übliche, was in einem Krieg passiert. Die Front, Tod und Gewalt.
Selbstverständlich war das Klima nicht gerade angenehm. Im Winter
ist es in Korea ganz schön kalt.«
Sie nickte nüchtern. »Das glaube ich gern.
Aber wie ist mein Bruder nun tatsächlich gestorben?«
Er fuhr sich mit den Fingern durch das Haar,
spürte einen leichten Schmerz hinter der Stirn, legte sie in
Falten, als ob es ihm Mühe mache, sich zu erinnern. »In
unserem Frontabschnitt war ein großer Vorstoß geplant.
Sechs Stunden vor Beginn des Angriffs wurde ich mit einer Patrouille
losgeschickt, der Simon und die vier von mir genannten Männer
angehörten. Wir sollten das Minenfeld auf dem anderen Ufer des
Flusses erkunden.«
»Und was passierte?«
Shane zuckte mit den Schultern. »Wir gerieten in
einen
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