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Dunkler Fremder

Dunkler Fremder

Titel: Dunkler Fremder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Higgins
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hinunter
bot.
      Dort oben befand man sich unerwartet in einer anderen
Welt, einer Welt stiller Straßen und anmutiger Häuser. Die
Adresse lautete Fairholme Avenue, und Shane sagte dem Fahrer, er solle
am Beginn der Straße halten. Nachdem das Taxi davongefahren war,
ging er langsam die Straße hinauf und suchte nach einem Haus, das
sich Four Winds nannte.
      Die Häuser waren das typische Zuhause
wohlhabender Stadtbewohner, großzügig und geräumig,
ohne daß man sie schon hätte protzig nennen können, aus
Naturstein errichtet, inmitten gepflegter, weitläufiger
Grundstücke. Die Straße endete schließlich als
Sackgasse, und dort am Ende fand er das Haus, das er suchte.
      Das Haus erschien ihm seltsam tot und verlassen. Die
Fenster starrten blind auf ihn herab, und der Garten war verwahrlost
und von Unkraut überwuchert. Er ging die mit Kies bestreute
Auffahrt entlang und stieg die Stufen zur Eingangstür hinauf und
drückte auf den Klingelknopf. Irgendwo in der Tiefe des Hauses
konnte er das Läuten hören, aber niemand erschien, um zu
öff nen. Er versuchte es noch einmal, drückte eine Minute
lang mit dem Daumen fest auf den Knopf, doch wiederum geschah nichts.
      Er ging die Stufen wieder hinunter und überquerte
den Rasen. Jemand hatte versucht, vor der steinernen Terrasse das Gras
zu mähen. Eine Fenstertür zur Terrasse stand nur angelehnt,
und eine Seite eines roten Samtvorhangs wurde von einem
plötzlichen Windstoß erfaßt und in den Regen
hinausgeweht.
      Er näherte sich der Tür, blieb davor stehen,
spähte in die Dunkelheit des darunterliegenden Raumes hinein und
rief mit gedämpfter Stimme: »Ist dort jemand?«
      Keine Antwort, doch als er sich schon abwenden wollte,
erklang eine nörgelnde, schrille Stimme: »Wer ist denn
da?«
      Shane schob den Vorhang zur Seite und trat ein. Der
Raum lag im Halbdunkel, und es dauerte einige Augenblicke, bis sich
seine Augen an das Dämmerlicht gewöhnt hatten. Vorsichtig tat
er ein paar Schritte, und wieder vernahm er die Stimme, diesmal fast
neben sich. »Hier bin ich, junger Mann.«
      Rasch wandte Shane sich um. Ein alter Mann saß
in einem tiefen Lehnsessel neben einem kleinen Tisch, auf dem eine
Flasche und ein Glas standen. Über die Knie des alten Mannes war
eine Decke gebreitet, und ein altmodischer, gesteppter Morgenmantel war
hoch bis zu seinem mageren Hals zugeknöpft. Wenn er sprach, klang
seine Stimme hoch und krächzend wie die einer alten Frau.
      »Ich bekomme nicht oft Besuch«, sagte er. »Was kann ich für Sie tun?«
      Shane zog sich einen Stuhl heran und setzte sich. »Ich suche nach Mr. Henry Faulkner«, antwortete er.
      Der alte Mann neigte sich ein wenig vor. »Ich
bin Henry Faulkner«, sagte er. »Was wollen Sie von mir. Ich
kenne Sie
    doch nicht, oder?«
      Seine rechte Wange zuckte krampfartig, und seine
milchigen, ausdruckslosen Augen schienen blind in die Asche des Lebens
zu starren.
      Shane befeuchtete seine Lippen. »Mein Name ist
Shane«, sagte er. »Martin Shane. Ich kannte Ihren Sohn in
Korea.«
      Die Hände des alten Mannes schlossen sich
krampfhaft über der Krücke des Rohrstocks, den er vor sich
aufgestützt hielt, und ein Zittern ließ seinen dürren
Körper erbeben. Erregt neigte er sich weiter vor, ein schwaches
Leuchten glomm in seinen Augen. »Sie kannten Simon?«
krächzte er. »Aber das ist ja wundervoll. Wirklich
wundervoll.« Er sank in seinen Sessel zurück und nickte
mehrmals mit dem Kopf. »Er war ein guter Junge. Ein guter Junge.
Etwas wild vielleicht, aber er hat nie jemandem etwas zuleide
getan.« Er seufzte tief auf. »Er ist tot, wissen Sie. Im
Kampf gefallen.«
      Shane zündete sich eine Zigarette an. »Hat man Ihnen das mitgeteilt?«
      Der alte Mann nickte nachdrücklich. »Ich
habe seine Auszeichnungen irgendwo. Ich werde sie Ihnen zeigen. Er war
ein Held, müssen Sie wissen.«
      Noch bevor Shane widersprechen konnte, hatte der alte
Mann seine Decke beiseite geworfen und sich mühsam aufgerichtet.
Für einen Augenblick schwankte er unsicher, humpelte dann auf die
Tür zu, wobei er sich schwer auf seinen Stock stützte.
»Ich bin gleich wieder da«, sagte er noch.
      Die Tür schloß sich hinter ihm. Shane zog
sein Taschentuch heraus und wischte sich über die Stirn. Die Luft
in dem Zimmer war stickig, und es roch, als ob seit Jahren nicht mehr
Staub gewischt und gelüftet worden wäre. Er stand auf und
ging langsam hin und her und betrachtete die

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