Dunkler Fremder
Schultern und sagte gelassen.
»Nun gut, Graham. Das ist deine Entscheidung. Ich muß sie
hinnehmen.«
Als sie durch das Gewächshaus zur Tür gingen, fragte
Graham: »Du wirst also abreisen?«
Shane schüttelte nur den Kopf. »Nichts zu
machen. Ich kenne noch jemanden hier in Burnham, eine Tänzerin aus
Steeles Klub. Sie heißt Jenny Green. Ich werde sie fragen, ob sie
mir vielleicht helfen kann.«
Graham seufzte erneut und hob ratlos die Schultern.
»Nun, ich habe getan, was ich tun konnte.« Er holte Shanes
Mantel, und gemeinsam traten sie auf den Vorplatz vor der Haustür
und blieben auf der obersten Stufe stehen. Shane wandte sich Graham zu
und streckte ihm die Hand hin. »Ich nehme nicht an, daß wir
uns noch einmal sehen.«
Graham legte ihm eine Hand auf die Schulter. »Es
ist keine sehr erfreuliche Welt, in der wir gegenwärtig leben,
oder? Du und ich, wir beide haben mehr Grund als die meisten anderen,
davon überzeugt zu sein.« Er machte abrupt kehrt und ging
ins Haus zurück, während Shane mit nachdenklichem Gesicht
langsam die Auffahrt hinabschritt.
Shane lenkte seine Schritte zur Hauptstraße
hinunter, betrat die erste Telefonzelle, auf die er stieß, und
wählte Jenny Greens Nummer. Niemand meldete sich, und nach einem
zweiten vergeblichen Versuch wählte er die Nummer des Garland
Club.
Mit wachsender Ungeduld wartete er endlos, wie ihm
schien, und als er ihre Stimme endlich klar und deutlich in der Leitung
vernahm, lehnte er sich erleichtert gegen die Wand der Telefonzelle.
»Hier Martin Shane«, meldete er sich. »Ich muß
dich dringend sprechen, Jenny.«
Ihre Stimme klang besorgt und aufgeregt. »Ist irgend etwas passiert, Martin. Stimmt etwas nicht?«
Er versuchte, unbeschwert zu klingen. »Nichts
Ernstliches. Ich stecke allerdings in einer gewissen Klemme und frage
mich, ob du mir vielleicht helfen könntest. Ich muß für
ein paar
Tage untertauchen und eine Bleibe haben.«
Sie lachte verhalten. »Wenn das alles ist, dann
mach dir weiter keine Sorgen. Du kannst bei mir in meiner Wohnung
unterschlüpfen.«
»Das ist großartig«, sagte er erleichtert, »aber wie komme ich da rein?«
Jemand rief ihr am anderen Ende etwas zu, und er
konnte hören, wie im Hintergrund die Musik einsetzte. Hastig sagte
sie: »Ich habe jetzt meinen Auftritt und muß los.
Draußen vor der Tür liegt unter der Fußmatte ein
zweiter Schlüssel. Mach es dir inzwischen gemütlich. Ich
komme, sobald ich kann.«
Sie verabschiedete sich gehetzt und hängte den
Hörer ein. Shane fühlte sich plötzlich müde,
wirklich müde durch und durch, und er telefonierte noch schnell
nach einem Taxi, auf das er vor der Telefonzelle wartete. In tiefen
Zügen sog er die vom Regen gereinigte Luft ein.
Als das Taxi auftauchte, gab er dem Fahrer Jennys
Adresse an und ließ sich auf dem Sitz zurücksinken. Die
Fahrt dauerte nur zehn Minuten. Er bezahlte den Fahrer schnell und ging
mit eiligen Schritten auf das Haus zu.
Den Wohnungsschlüssel fand er, wie von ihr
angekündigt, unter der Matte vor der Tür, und gleich darauf
befand er sich in der stillen Geborgenheit ihrer Wohnung. Er ließ
seine Reisetasche einfach zu Boden fallen und ging in die Küche.
Dort fand er in einem Schrank eine Flasche Sherry, schenkte sich ein
großes Glas voll, das er begierig leerte, wenn er auch wegen des
bitteren Geschmacks das Gesicht verzog. Dann ging er ins Schlafzimmer
hinüber.
Die Schmerzen in seinem Kopf waren stärker
geworden, sehr viel stärker. Er schluckte noch einmal zwei
Tabletten und streckte sich, ein Kissen unter dem Kopf, auf dem Bett
aus.
Wieder überdachte er der Reihe nach die Ereignisse der ver
gangenen Tage, aber sie schienen sich in keinen erkennbaren
Zusammenhang bringen zu lassen. Ihn überkam das unbehagliche
Gefühl, daß er bisher ständig einen wesentlichen Punkt
übersehen hatte, ein Detail, das den Schlüssel zum
Verständnis des gesamten Ablaufs der Geschehnisse bot.
Während er noch darüber nachdachte, schlief er unversehens
ein.
Als er wieder erwachte, war es völlig dunkel.
Seine Kopfschmerzen hatten nachgelassen. Er blieb noch eine Weile auf
dem Bett liegen, starrte auf das bleiche Rechteck des Fensters, bis er
sich aufsetzte und die Beine auf den Boden schwang.
Er ging zur Tür und trat in das Wohnzimmer. In
diesem Augenblick kam Jenny mit einem Tablett in den Händen aus
der Küche. Als sie ihn sah, lächelte sie fröhlich.
»Ich
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