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Dunkler Grund

Dunkler Grund

Titel: Dunkler Grund Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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Monolog zum Vortrag bringt. »Natürlich war sie tief betroffen vom Ableben ihrer Mutter, aber beinahe noch mehr schien die Art und Weise sie zu beunruhigen. Sie fürchtete, Sir, und zwar wegen des fehlenden Schmucks, daß der Tod ihrer Mutter keine natürliche Ursache hatte.«
    »Hat sie das zu Ihnen gesagt?« wollte Gilfeather wissen.
    »In der Tat, Sir, das hat sie gesagt.«
    »Und was haben Sie unternommen, Dr. Ormorod?«
    »Nun, ich muß gestehen, ich hab’s zunächst nicht ganz glauben können.« Er verzog das Gesicht und sah zu den Geschworenen hinüber. Einer oder zwei von ihnen nickten ihm zustimmend zu. Mindestens zwei Drittel der Geschworenen waren Herren mittleren oder gehobenen Alters von hohem Ansehen, denen die Unberechenbarkeit der Frauen, insbesondere jüngerer Frauen in prekären Situationen, durchaus nicht fremd war.
    »Und was haben Sie unternommen, Sir?« insistierte Gilfeather.
    Ormorod wandte seine Aufmerksamkeit wieder der Sache zu.
    »Ich habe eine Untersuchung durchgeführt, Sir, eine sehr detaillierte Untersuchung.« Wieder machte er eine Pause, der dramatischen Wirkung zuliebe.
    Gilfeather bewahrte die Fassung. Rathbone fluchte leise.
    Argylls Seufzen war kaum zu hören, doch sein Gesicht sprach Bände.
    Das war nicht die Reaktion, die Ormorod erwartet hatte. »Es hat lange gedauert«, sagte er mit schmalen Lippen. »Und es war meine Pflicht, eine vollständige Autopsie durchzuführen, besonders um den Mageninhalt der Verstorbenen untersuchen zu können. Das Ergebnis ließ keinen Zweifel zu: Mrs. Farraline war an einer Überdosis ihrer üblichen Arznei, einem Digitalisextrakt, gestorben.«
    »Wie hoch war die Dosis, Sir? Können Sie das sagen?«
    »Mindestens die doppelte Menge dessen, was ein verantwortungsvoller Arzt verschreiben würde«, antwortete Ormorod.
    »Und daran hegen Sie nicht den geringsten Zweifel?« hakte Gilfeather nach.
    »Nicht den geringsten. Aber Sie müssen sich nicht allein auf meine Meinung verlassen, Sir. Der Polizeichirurg ist zur gleichen Auffassung gelangt.«
    »Richtig, Sir. Sein Bericht liegt uns vor«, versicherte ihm Gilfeather. »Und er bestätigt Ihre Aussage.« Ormorod nickte lächelnd.
    »Haben Sie sich eine Meinung darüber gebildet, wie es verabreicht wurde?«
    »Oral, Sir.«
    »Wurde dabei Gewalt angewendet?«
    »Es gibt nichts, was darauf hindeutet, nein, Sir. Ich nehme an, es wurde ahnungslos eingenommen, ohne Wissen der Verstorbenen.«
    »Aber Sie zweifeln nicht daran, daß es tatsächlich die Ursache für ihren Tod war?«
    »Daran zweifle ich nicht im geringsten.«
    »Danke, Dr. Ormorod. Ich habe keine weiteren Fragen.« Argyll dankte Gilfeather und wandte sich Ormorod zu.
    »Sir, Ihre Aussage war bewundernswert klar und deutlich. Ich habe nur noch eine Frage an Sie. Ich nehme an, Sie haben den Arzneikoffer untersucht, in dem die Medizin der Verstorbenen verwahrt wurde. Ja. Natürlich haben Sie das getan. Wie viele Phiolen lagen darin, Sir… volle und leere?«
    Ormorod runzelte die Stirn und dachte nach. »Es lagen zehn volle und zwei leere Phiolen darin, Sir.«
    »Sind Sie ganz sicher?«
    »Ja… ja, Sir, ich bin sicher.«
    »Können Sie die Phiolen beschreiben, Sir?«
    »Beschreiben?« Anscheinend konnte Ormorod in der Frage keinen Sinn entdecken.
    »Ja, Doktor. Wie sahen sie aus?«
    Ormorod hielt die Hand hoch, Daumen und Zeigefinger ein Stück auseinander. »Etwa acht bis zehn Zentimeter lang und zwei Zentimeter im Durchmesser, Sir. Ganz gewöhnliche medizinische Phiolen.«
    »Aus Glas?«
    »Das sagte ich bereits.«
    »Durchsichtiges Glas?«
    »Nein, Sir, dunkelblau getöntes Glas. Das ist so üblich bei Substanzen, die giftig sind oder sein können, wenn sie unsachgemäß verabreicht werden.«
    »Kann man leicht erkennen, ob eine Phiole voll oder leer ist?« Jetzt hatte Ormorod verstanden. »Nein, Sir. Wenn sie halbvoll ist, vielleicht, aber wenn man den Rand der Flüssigkeit nicht sieht, sehen sich leere und ganz volle sehr ähnlich.«
    »Danke, Doktor. Wir können also annehmen, daß eine von ihnen am Abend von Miss Latterly verabreicht wurde, und von der anderen wissen wir nichts – es sei denn, Miss McDermot entschließt sich, es uns zu erzählen.«
    »Mr. Argyll!« wies der Richter ihn zornig zurecht. »Sie dürfen vermuten, was Sie wollen, aber vor meinem Gericht tun Sie das bitte nicht laut! Ich lasse nur Beweismaterial zu. Miss McDermot hat sich zu diesem Thema nicht geäußert.«
    »Jawohl, Euer Ehren«, erwiderte Argyll, in

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