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Dunkler Grund

Dunkler Grund

Titel: Dunkler Grund Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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ihn gar nicht. Vor ihnen war die Kutsche wieder aufgetaucht. Alastairs Haare flatterten im Wind, und Oonagh schmiegte sich so dicht an ihn, als würde er sie mit dem anderen Arm festhalten.
    Die Straße machte wieder einen Bogen, und sie rasten an dem schmalen Flußlauf entlang, der zum Meer führte. Lastkähne und Fischkutter waren dort festgemacht. Ein Mann sprang fluchend aus dem Weg. Ein Kind ergriff laut schreiend die Flucht.
    Ein Fischweib brüllte einen ganzen Rattenschwanz von Flüchen hinter ihnen her und schleuderte ihren leeren Korb gegen das Gefährt. Eines der beiden Pferde bäumte sich auf und kippte gegen das andere, und in einer beinahe traumhaften Bewegung neigten sie sich der steilen Kaimauer und dem Wasser des Hafenbeckens entgegen. Die Kutsche schleuderte herum, die Deichsel brach; für den Bruchteil einer Sekunde schwebte das Gefährt, dann stürzte es in den Fluß und riß Alastair und Oonagh mit sich.
    Hector mußte sein ganzes, nicht unbeträchtliches Gewicht nach hinten werfen und gleichzeitig mit der freien Hand in die Bremse greifen, um sein Pferd zu zügeln.
    Monk sprang herunter und lief hinüber zur Kaimauer.
    Hester kletterte nach ihm heraus, zerriß ihren Rock, der sich verfangen hatte, und hätte sich auf den unebenen Kopfsteinen beinahe den Fuß verstaucht.
    Die Kutsche ging bereits unter; ganz langsam, schmatzend und gluckernd versank sie. Oonagh und Alastair waren im Wasser, hatten sich aus Zügeln und Geschirr befreit und strampelten, um nicht unterzugehen.
    Die nächsten Augenblicke prägten sich für alle Zeiten in Hesters Seele. Alastair bekam wieder Luft und schwamm mit zwei, drei kräftigen Zügen zu Oonagh hinüber. Einen Augenblick lang trieben sie Auge in Auge in dem schmutzigen Wasser, dann streckte er die Hand aus, packte ihren schweren, vollgesogenen Haarschopf und drückte ihren Kopf ganz langsam und mit Bedacht unter Wasser. Eine Weile lang hielt er ihn fest, während sie strampelte und um sich schlug. Die Strömung hatte ihn erfaßt, aber es kümmerte ihn nicht, er ließ sich lieber mitreißen, als von seiner schrecklichen Beute abzulassen.
    Wie gelähmt vor Entsetzen sah Monk ihnen zu.
    Hester stieß einen Schrei aus. Sie konnte sich nicht erinnern, jemals in ihrem Leben so geschrien zu haben.
    »Gott steh dir bei!« sagte Hector mit schwerer Zunge.
    Unter Wasser war keine Bewegung mehr. Oonaghs Haar trieb bleich an der Oberfläche, ihre Röcke bauschten sich um sie herum, aber sie rührte sich nicht mehr.
    »Heilige Mutter Gottes!« murmelte das Fischweib hinter Monk und bekreuzigte sich ein ums andere Mal.
    Schließlich hob Alastair den Blick, das Gesicht von Schlamm und seinem eigenen Haar verklebt. Er war erschöpft; die Strömung würde ihn nicht wieder freigeben, und er wußte es.
    Wie aus einem Traum erwacht fuhr Monk herum zu dem Fischweib. »Haben Sie ein Seil?« fragte er sie.
    »Heilige Jungfrau!« stieß sie in ehrfürchtigem Entsetzen hervor. »Sie wollen ihn doch nicht aufhängen?«
    »Natürlich nicht!« bellte er. »Ich will ihn rausziehen!«
    Er schlang das Seil um einen Poller, knotete sich das andere Ende um den Leib, sprang ins Wasser und wurde von der Strömung sofort von der Kaimauer weggerissen, hinüber zum Dach der Kutsche, das knapp über der Oberfläche noch immer zu sehen war.
    Immer mehr Menschen versammelten sich. Ein Mann in einem grobgestrickten Pullover und Seemannsstiefeln sicherte das Seil, und ein anderer kam mit einer Strickleiter zur Kaimauer gelaufen.
    Zehn Minuten später zogen sie Monk wieder heraus. Die Fischer nahmen ihm die Leichen ab, und schließlich hievten sie ihn selber, triefnaß und zitternd vor Kälte, aus dem Wasser heraus. Mühsam und vorsichtig rappelte er sich hoch, die Kleider hingen ihm schwer am Leib.
    Ein paar Zuschauer standen dabei, mit blassen Gesichtern, fasziniert und bestürzt zugleich, als man Oonaghs Körper auf die Steine bettete, das Gesicht grau wie Marmor, die Augen weit geöffnet, und daneben Alastair, ruhig, kalt, ihrem Einfluß für immer entzogen.
    »Die Sünden des Wolfs haben sie eingeholt«, sagte er leise.
    »Verderbtheit, Betrug und, als letzte von allen, Verrat.«

Buch
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