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Dunkler Grund

Dunkler Grund

Titel: Dunkler Grund Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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Rathbone mit spitzem Mund. »Persönliche Neugier dürfte Ihnen wohl kaum die Türen öffnen.«
    Monk blickte ihn verächtlich an. »Die Farralines sind im Moment in einer schwachen Position«, erklärte er langsam und mit beinahe höhnischer Geduld. »Jedermann weiß jetzt, daß einer aus der Familie es getan hat. Sie werden sich gegenseitig die Schuld geben. Es dürfte meine Fähigkeiten nicht übersteigen, wenigstens einen von ihnen davon zu überzeugen, daß er auf meine Dienste nicht verzichten kann.«
    Oliver zog die Augenbrauen hoch. »Wenigstens einen? Wollen Sie womöglich für mehrere von ihnen arbeiten? Eine pikante Konstellation, vorsichtig ausgedrückt!«
    »Gut, für einen von ihnen«, mußte Monk zähneknirschend einräumen. »Ich bin sicher, Eilish ist unschuldig, und ihr dürfte daran gelegen sein, auch McIvors Unschuld zu beweisen, weil sie ihn liebt. Ich könnte mir vorstellen, daß sie Baird sogar ihrem Bruder vorzieht, wenn man sie vor die Wahl stellt.«
    »Was Sie zweifellos tun werden?«
    »Wie scharfsinnig von Ihnen!«
    »Ist doch naheliegend.«
    Monk setzte zu einer Erwiderung an.
    »William!« befahl Callandra. »Ich wäre Ihnen sehr verbunden, wenn Sie uns jetzt allein ließen. Ob Sie in Ihr Zimmer am Grassmarket gehen, müssen Sie selber wissen, aber ein paar Stunden Schlaf würden Ihnen sicher guttun.« Mit einem Blick tiefer Zuneigung bedachte sie Henry Rathbone.
    »Zweifellos möchten auch Sie sich zurückziehen, so wie ich. Gute Nacht, Mr. Rathbone. Sie waren mir in diesen schweren Tagen eine große Unterstützung, und dafür bin ich Ihnen sehr dankbar.«
    »Ich stehe Ihnen jederzeit zu Diensten, Madam«, sagte er, und sein Lächeln ließ das ganze Gesicht erstrahlen. »Gute Nacht. Komm jetzt, Oliver. Wir sind schon viel zu lange geblieben.«
    »Gute Nacht, Lady Callandra«, sagte Oliver höflich. Er ignorierte Monk und wandte sich Hester zu. Sein Gesicht wurde ganz sanft. Der Zorn war verflogen. Er sah sie zärtlich an. »Gute Nacht, meine Liebe. Sie sind jetzt frei, und morgen werden wir eine Lösung finden. Man kann Sie nicht noch einmal vor Gericht stellen.«
    »Danke«, sagte sie. Ein plötzlicher Ansturm der Gefühle ließ ihre Stimme heiser klingen. »Ich weiß, was Sie für mich getan haben, und ich bin Ihnen sehr dankbar. Ich kann Ihnen gar nicht sagen…«
    »Pst!« unterbrach er sie. »Schlafen Sie gut. Morgen sehen wir weiter.«
    Sie seufzte. »Gute Nacht.«
    Er lächelte und ging zur Tür. Henry Rathbone folgte ihm, lächelte Hester zu und verließ ohne ein weiteres Wort das Zimmer.
    Monk zögerte, runzelte die Stirn, überlegte es sich anders und sagte nur: »Gute Nacht, Hester, Lady Callandra.«
    Er war verschwunden, noch bevor ihr richtig klargeworden war, daß er sie zum erstenmal bei ihrem Vornamen genannt hatte. Es war seltsam, ihn aus seinem Mund zu hören. Sie war hin und hergerissen zwischen Erleichterung und Enttäuschung darüber, daß er gegangen war. Es war lächerlich. Sie war so müde und erschöpft, sie verstand sich selbst nicht mehr.
    »Wenn es Ihnen nichts ausmacht, gehe ich jetzt ins Bett«, sagte sie zu Callandra. »Ich glaube, ich bin wirklich…«
    »Müde«, sagte Callandra ganz sanft. »Natürlich, mein Kind. Der Wirt soll uns beiden noch eine heiße Milch und einen Schluck Brandy bringen. Ich glaube, den hab’ ich jetzt genauso nötig wie Sie. Jetzt kann ich’s Ihnen ja sagen: Ich hatte sehr große Angst, eine meiner liebsten Freundinnen zu verlieren. Die Erleichterung ist beinahe ein bißchen zu viel für mich. Ich bin sehr müde.« Sie streckte ihre Hand aus; Hester ergriff sie ohne zu zögern und ließ sich in ihre Arme ziehen.
    Am nächsten Morgen war es ihnen allen ein wenig peinlich, daß die Wogen der Gefühle am Abend zuvor so hoch gegangen waren. Niemand verlor ein Wort darüber. Henry Rathbone fuhr wieder heim. Er hatte noch einmal vorbeigeschaut, um mit Hester zu reden; aber er sagte nicht viel, und Hester verstand ihn auch so.
    Auch Callandra reiste ab, überzeugt davon, hier nichts mehr tun zu können.
    Oliver Rathbone hatte ein letztes Gespräch mit Argyll, bevor er nach London zurückfuhr. Natürlich warteten zu Hause andere Fälle auf ihn. Er verlor kein Wort mehr über Monks Absicht, die Farralines am Ainslie Place aufzusuchen, und nahm sich nur einen Augenblick Zeit für ein förmliches Gespräch mit Hester. Sie dankte ihm noch einmal für das, was er für sie getan hatte, doch als sie seine Verlegenheit spürte, rührte sie

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