Dunkler Grund
Wort und zwang sie zu widerwilligem Schweigen, während sie Monk mit funkelnden Augen ansah. »Wenn Sie die Sache für abgeschlossen hielten, wären Sie nicht hier. Egal, welche Worte taktisches Kalkül und Höflichkeit Ihnen in den Mund legen, in Wirklichkeit geht es Ihnen ausschließlich um Miss Latterlys Ruf. Nein, widersprechen Sie nicht. Es wäre unser beider unwürdig.«
»Ich hatte nicht vor zu widersprechen!« erwiderte er knapp.
»Nach Lage der Dinge haben wir wenigstens zwei Spuren, die wir verfolgen können.«
»Mutters Anwesen in Rossshire«, sagte Oonagh. »Und was noch?«
»Die Diamantbrosche, die offensichtlich nicht wieder aufgetaucht ist.«
Sie schien überrascht zu sein. »Halten Sie die für so wichtig?«
»Ich weiß es nicht, aber ich werde es herausfinden. Wie heißt Ihr Juwelier?«
»Arnott & Dunbar, in der Frederick Street.«
»Vielen Dank.« Er zögerte. »Kann ich etwas mehr erfahren über dieses Anwesen in…«
»Rossshire«, half sie ihm. »Wenn Sie wollen. Quinlan hat die Unterlagen natürlich der Polizei gegeben. Sie haben sie gestern abend mitgenommen. Aber an der Tatsache gibt es nichts zu rütteln. Mutter hat einen kleinen Bauernhof in Easter Ross geerbt. Die Vermietung hat sie in Bairds Hände gelegt, und es scheinen keinerlei Belege über Mieteinnahmen zu existieren…«
»Dafür gibt es sicher eine Erklärung«, rief Eilish verzweifelt.
»Baird würde es doch nicht einfach stehlen!«
»Wie auch immer, einfach ist daran gar nichts«, erwiderte Oonagh trocken. »Aber wir hoffen natürlich alle, daß es nicht so gewesen ist, niemand mehr, als ich!«
Eilish wurde zuerst rot und dann blaß.
»Wo liegt dieses Easter Ross?« Monk hatte noch nie von der Grafschaft gehört.
»Oh, noch hinter Inverness, glaube ich«, antwortete Oonagh geistesabwesend. »Wirklich sehr weit im Norden. St. Colmac, Port of St. Colmac oder so ähnlich. Aber das klingt doch ziemlich absurd. Es können nicht mehr als ein paar Pfund im Jahr sein. Dafür bringt man doch niemanden um.«
»Es sind schon Leute wegen weniger ermordet worden«, erwiderte Monk scharf. Dann fragte er sich, wie er darauf gekommen war. Er hatte es mit völliger Gewißheit gesagt. Es war einer dieser Erinnerungsfetzen, die hin und wieder zu ihm zurückkehrten.
»Ja, vermutlich.« Oonaghs Stimme war fast ein Flüstern. Sie blickte zum Fenster. »Wenn Sie es wünschen, besorge ich Ihnen die genaue Adresse. Möchten Sie heute abend mit uns essen? Bis dahin könnte ich sie herausgesucht haben.«
»Vielen Dank«, erwiderte Monk. Ihm war nicht ganz klar, ob die Einladung auch für Hester gegolten hatte.
»Danke«, sagte nun auch Hester, bevor ein anderer die offene Frage klären konnte. »Das ist sehr freundlich von Ihnen, besonders unter den gegebenen Umständen.«
Oonagh atmete tief durch, entschied sich gegen einen Widerspruch und für ein Lächeln. Sie waren entlassen und warteten in der Halle darauf, vom düsteren McTeer zur Tür gebracht zu werden, als Eilish ihnen nachgelaufen kam und Monk am Arm packte. Hester schien sie gar nicht zu sehen.
»Mr. Monk, Baird war es nicht! Er hätte Mutter niemals etwas getan, egal, was die anderen denken. Er macht sich nichts aus Geld. Es muß eine andere Erklärung geben.«
Monk verstand augenblicklich ihr ganzes Unglück. Nur zu gut kannte er den Schmerz der Enttäuschung, diesen Augenblick, in dem man erkennt, daß der geliebte Mann oder die geliebte Frau einem unbeschreiblich fremd geworden ist. Er hat nicht nur einen Fehler gemacht, den man verzeihen könnte, nein, er ist ein ganz anderer Mensch, als man dachte. Die ganze Beziehung baute auf einer Lüge auf, einer unbewußten vielleicht, aber doch einer Lüge.
»Haben Sie ihn gefragt?« sagte er freundlich.
Sie sah sehr blaß aus. »Ja. Er hat nichts gestohlen, sagt er, aber er kann über die Sache nicht reden. Ich… natürlich glaube ich ihm, aber ich weiß nicht, was ich davon halten soll. Warum sagt er nichts, wenn Quinlan ihn solch schrecklicher Dinge beschuldigt? Woran hält er fest, wo doch vielleicht…«, sie schluckte, »… sein Leben auf dem Spiel steht?«
Monk wußte keine Antwort. Vielleicht hatte er ein Geheimnis, das noch häßlicher war, als die erhobenen Beschuldigungen, oder er verbarg etwas, das sie noch erhärten würde. Aber das sagte er nicht.
»Ich habe keine Ahnung, werde aber alles tun, um es herauszufinden. Ich verspreche es Ihnen. Wenn Baird unschuldig ist, dann werden wir es beweisen.«
»Kenneth?«
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