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Dunkler Grund

Dunkler Grund

Titel: Dunkler Grund Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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erkundigte Deirdra sich neugierig.
    Sicher hätte Hester diese Bemerkung als ein Stück müßige Konversation eingeordnet, hätte sie nicht Deirdras waches, intelligentes Gesicht vor Augen gehabt. Sie suchte nach einer Antwort. Die Arbeiten einer Krankenschwester waren häufig eintönig, die Patienten dagegen selten. Sicher, mit der Herausforderung und den Gefahren war es vorbei, und auch mit der Kameradschaft. Hier gab es weder Hunger noch Kälte für sie, weder die Angst noch den schrecklichen Zorn und auch nicht das Mitleid. An deren Stelle waren die Gefühlsverwirrungen in der Zusammenarbeit mit Monk getreten. Sie hatte William Monk kennengelernt, als er noch Polizeiinspektor war und an dem Fall Gray arbeitete; anschließend hatte sie ihm – durch Callandras Vermittlung – beim Moidore-Fall assistiert. Aber dann hatte er den Polizeidienst Hals über Kopf quittiert und war seitdem gezwungen, sich als privater Ermittler durchzuschlagen. Später, nach dem Mord an General Carlyon, hatte sie ihn um seinen Beistand für Edith Sobel gebeten. Und als man die Leiche von Schwester Barrymore gefunden hatte, war Hester die ideale Besetzung für eine Gastrolle im Krankenhaus gewesen.
    Aber die Beziehung zu Monk war viel zu kompliziert, um sie mit ein paar Worten zu erklären; und sie war sicher keine Empfehlung für eine hochangesehene Familie wie die Farralines als passende Gesellschafterin für ihre Mutter.
    Deirdra wartete noch auf eine Antwort.
    »Manchmal«, gestand Hester ein, »bin ich froh, das alles hinter mir zu haben, aber ich muß auch auf die Kameradschaft verzichten, und das ist schwer.«
    »Und die Herausforderung?« ließ Deirdra nicht locker und lehnte sich auf den Tisch. »Ist es nicht etwas Wunderbares, mit solchen Schwierigkeiten fertig zu werden?«
    »Nicht, wenn man keinerlei Aussicht auf Erfolg hat, wenn der Schmerz des Scheiterns vor allem der Schmerz der anderen ist.« Deirdra senkte den Blick. »Nein, sicher nicht. Es tut mir leid, ich war gedankenlos. Es war nicht so gemeint, wie es geklungen hat. Ich dachte an die Herausforderung für den Geist, die Phantasie, für den eigenen Ehrgeiz. Ich…« Sie brach mitten im Satz ab; die Tür hatte sich geöffnet, und Oonagh war eingetreten. Sie blickte von der einen zur anderen, dann entspannte sich ihr Gesicht zu einem Lächeln.
    »Ich hoffe, Sie fühlen sich wohl bei uns, Miss Latterly. Kümmert man sich um Sie?«
    »O ja, vielen Dank«, antwortete Hester.
    »Ich habe Miss Latterly über ihre Erfahrungen ausgefragt, zumindest über ein paar von ihnen«, sagte Deirdra begeistert.
    »Es klingt alles wahnsinnig interessant.«
    Oonagh setzte sich und schenkte sich Tee ein. Zweifelnd blickte sie Hester an.
    »Ich könnte mir vorstellen, daß Sie England manchmal ein wenig begrenzt finden, nach all der Freiheit auf der Krim.«
    Eine seltsame Beobachtung, die ein hohes Maß an intelligentem Feingefühl verriet. Das war nicht nur so dahingesagt, um Konversation zu machen.
    Hester antwortete nicht sofort, und Oonagh versuchte erst einmal, es in ihren eigenen Worten auszudrücken. »Ich meine, die Verantwortung, die dort auf Ihren Schultern lastete, wenn auch nur ein Fünkchen Wahrheit in dem steckt, was ich darüber gelesen habe. Sie müssen sehr viel Leid gesehen haben, und vieles davon wäre sicher zu vermeiden gewesen, wenn etwas mehr Verstand im Spiel gewesen wäre. Ich kann mir vorstellen, daß nicht jedesmal, wenn Sie eine Situation einschätzen mußten, ein Vorgesetzter zur Stelle war, sei es nun ein medizinischer oder ein militärischer.«
    »Nein… nein, natürlich nicht«, stimmte Hester ihr zu, erstaunt über soviel Einfühlungsvermögen. Tatsächlich spürte sie erst hier in diesem Eßzimmer mit seinem blankpolierten Tisch und der schön geschnitzten Kommode so richtig, daß das Vertrauen, die Verantwortung und die Möglichkeit, eigene Entscheidungen zu treffen, die Aspekte ihres Lebens auf der Krim waren, die sie am nachhaltigsten vermißte. Heute mußte sie meist ziemlich belanglose Entscheidungen treffen.
    So ähnlich mußte es auch einer Frau wie Oonagh McIvor gehen, deren Verantwortungsbereich im wesentlichen der Haushalt war: Was sollte Cook heute zum Mittagessen servieren, wie würde sie den Streit zwischen dem Küchenmädchen und der Wäscherin schlichten? Sollte sie Den und den diese Woche zusammen mit den Smiths zum Essen einladen oder lieber nächste Woche zusammen mit den Jones’? Sollte sie am Sonntag Grün oder lieber Blau tragen? Bei

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