Dunkler Grund
in seinen Augen war, trotz des standhaften Blicks, etwas Ausweichendes.
»Nein, ich weiß wirklich nicht, wie ich Ihnen helfen könnte«, sagte Baird schließlich. »Mit der finanziellen Seite habe ich wenig zu tun. Ich bin fürs Papier und das Binden zuständig. Quinlan kümmert sich um das Drucken. Kenneth führt die Bücher. Wenn Alastair hier ist, trifft er die wichtigsten Entscheidungen: Welche Kunden wir akzeptieren, neue Aufträge und solche Dinge.«
»Und Mrs. McIvor? Soviel ich weiß, ist sie auch an der Leitung des Unternehmens beteiligt. Sie soll äußerst begabt sein.«
»Ja.« Monk wurde aus seinem Gesicht nicht klug: Es mochte Stolz ausdrücken, Ressentiment, vielleicht sogar Belustigung. Ein Dutzend Gedanken schienen ihm gleichzeitig durch den Kopf zu schießen. »Ja«, wiederholte er. »Sie hat einen bewundernswerten Geschäftssinn. Alastair richtet sich oft nach ihrem Rat, bei unternehmerischen, aber auch bei den technischen Entscheidungen. Oder, um es präziser auszudrücken: Quinlan fragt sie um Rat, wenn es um Satzspiegel, Schriftbild und solche Dinge geht.«
»Und Mr. Fyffe hat mit der Buchhaltung nichts zu tun?«
»Quinlan? Nein, nicht das geringste.« Er sagte es mit Bedauern und einem Schuß Selbstironie.
Monk wurde einfach nicht klug aus ihm. Wie konnte ein Mann, der solch subtiler Gefühle und Selbstwahrnehmung fähig war, sich in eine Frau wie Eilish verlieben, die außer physischer Schönheit nichts zu bieten zu haben schien? Was mußte das für ein seichtes, kurzlebiges Gefühl sein! Selbst das reizendste Geschöpf auf der Welt wird irgendwann langweilig, wenn die Kameradschaft fehlt, das Lachen, Witz und Phantasie und die Fähigkeit zu gegenseitiger Liebe, vielleicht auch zu Provokation und Kritik, zur Veränderung durch Streit und Widerstand.
Hester kam ihm in den Sinn, so deutlich wie plötzlicher Schmerz.
»Dann muß ich wohl einen Blick in die Bücher werfen«, sagte er mit einer Schärfe, die durch den Verlauf des Gesprächs nicht gerechtfertigt war.
Baird machte ein widerwilliges Gesicht.
»Immer noch besser, als Buchprüfer darauf anzusetzen«, fuhr Monk fort.
Das war eine Drohung, und Baird verstand es als solche.
»Ja, sicher!« erwiderte er viel zu schnell. »Unbedingt. Das käme zu teuer, und die Leute würden glauben, wir hätten was zu verbergen. Ja, werfen Sie nur einen Blick hinein, Mr. Monk.«
Monk lächelte. Baird schien sehr zuversichtlich zu sein, daß Monk in den Büchern keine Unregelmäßigkeit finden würde. Und trotzdem hatte er Angst. Wovor?
»Danke«, nahm Monk das Angebot an, drehte sich um und ging wieder hinaus in die Halle, während Baird sich von seinem Schreibtisch erhob.
Den Rest des Tages verbrachte er in der Buchdruckerei Farraline, aber er konnte nichts finden, was ihn seinem Ziel näher gebracht hätte. Die Bücher mochten gefälscht worden sein, doch fehlte es ihm an den nötigen Kenntnissen, um eine solche Manipulation aufdecken zu können. Müde, mit Kopfschmerzen und extrem schlechter Laune verließ er um halb sechs das Haus und ließ sich in seine Unterkunft am Grassmarket fahren, wo ein Brief von Rathbone für ihn lag. Er enthielt keine guten Nachrichten, informierte ihn lediglich über Rathbones Fortschritte, die äußerst dürftig waren.
Mehr als drei Stunden stand Monk an diesem Abend auf dem Ainslie Place herum. Ihn fror erbärmlich, und seine Laune wurde zunehmend schlechter. Eilish schien heute keinen Ausflug zu einem Ziel irgendwo hinter der King’s Stahles Road machen zu wollen. Mitternacht kam und ging vorüber, doch vor Nummer 17 rührte sich nichts.
Am folgenden Abend stand er wieder dort, umgeben von eisiger Finsternis. Und diesmal wurde er belohnt, als kurz nach Mitternacht eine kleine dunkle Gestalt aus dem Haus kam, über den leeren Platz ging, keine vier Meter an der Stelle vorbei, wo er regungslos stand, zitternd vor Kälte und Erregung. Wieder eilte sie die Glenfinlas Street entlang, überquerte den Charlotte Place und ging auf die große Kreuzung zu.
Er folgte ihr in einem Abstand von etwa dreißig Metern, nur vor den Einmündungen, wo sie möglicherweise abbiegen und er sie aus den Augen verlieren konnte, ging er etwas schneller. Aber diesmal sah er sich regelmäßig um. Er wollte sich nicht noch einmal von hinten überraschen lassen und besinnungslos auf dem Pflaster landen, während Eilish zu ihrem unbekannten Ziel entschwand.
Es war kälter als beim letztenmal, weißer Reif lag auf den Pflastersteinen,
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