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Dunkler Grund

Dunkler Grund

Titel: Dunkler Grund Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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verstanden, warum Oonagh so nett zu ihm ist. Ich hätte ihm Eilish nicht zur Frau gegeben. Rausgeworfen hätte ich ihn, schon als er ihr schöne Augen gemacht hat.«
    »Und wenn sie ihn geliebt hat?« fragte Monk ruhig.
    Hector sagte nichts, starrte einen Moment lang aus dem Fenster. »Na ja, also, wenn ich das geglaubt hätte…«
    »Haben Sie nicht?«
    »Ich?« Hector hob die blonden Augenbrauen. »Was weiß ich schon darüber? Solche Dinge erzählt sie mir nicht!« Ganz plötzlich legte sich ein Ausdruck so tiefer Trauer über sein Gesicht, daß Monk peinlich berührt war, ihn so zu sehen. Ein seltenes Gefühl bei ihm, und ein erstaunlich schmerzhaftes. Einen Augenblick lang war er so durcheinander, daß er nicht wußte, was er tun oder sagen sollte.
    Aber Hector hatte ihn längst vergessen. Er war so überwältigt von der plötzlichen Trauer, daß es ihn nicht kümmerte, was jemand anders über ihn dachte.
    »Aber es würde mich wundern, wenn er etwas unterschlagen hätte«, sagte er plötzlich. »Er ist ein Heimlichtuer, der Kerl, viel zu gerissen, um zu klauen.«
    »Und Mr. McIvor?«
    »Baird?« Hector hob wieder den Kopf, auf seinem Gesicht lag jetzt ein Ausdruck von Belustigung und Mitleid. »Vielleicht. Ich hab’ ihn nie verstanden. Verschlossen. Mary mochte ihn, trotz seiner Launen. Sie hat immer gesagt, es steckt mehr Gutes in ihm, als wir ahnen. Da gehört nicht viel dazu, wenn Sie mich fragen.«
    »Ist er schon lange mit Oonagh verheiratet?«
    Hector lächelte, und eine erstaunliche Veränderung ging mit seinem Gesicht vor. Die Jahre der Selbstzerstörung schienen von ihm abzufallen, und für einen Moment sah Monk den Mann in der Highlander-Uniform durchschimmern. Die Ähnlichkeit mit dem Porträt von Hamish Farraline wurde stärker, aber irgendwie auch schwächer. Der Stolz, das Selbstbewußtsein kamen jetzt stärker zum Vorschein, aber dazu noch etwas, das dem älteren Bruder gefehlt zu haben schien: Humor und – seltsam genug, wenn man den Hector von heute betrachtete – so etwas wie Frieden mit sich selber.
    »Man könnte sie für ein sonderbares Paar halten«, sagte Hector und sah Monk wissend an. »Sind sie ja auch. Aber ich hab’ mir sagen lassen, daß Baird ein schneidiger Bursche war, als er hier auftauchte, und sehr romantisch. Sehr dunkel, finsterer Blick und versteckte Leidenschaft. Wenn er nur ’n Highlander wäre und kein Engländer. Oonagh hat wegen Baird einen sehr guten schottischen Anwalt abgewiesen. War aus guter Familie, der Anwalt, aus sehr guter Familie.«
    »Die Schwiegermutter?« fragte Monk. Hector schaute ihn ungläubig an.
    »Genau! Die Schwiegermutter, was sonst! Ein richtiger Drachen! Sie sind nicht halb so begriffsstutzig, wie ich geglaubt habe. Das muß der Grund sein. Ich kann mir gut vorstellen, daß Oonagh lieber mit einem Mann wie Baird McIvor unter einem Dach wohnt, als einen Edinburgher zu heiraten und die Mutter dazu, und dann noch so ein Exemplar wie Catherine Stewart! Sie wäre nicht Herrin im eigenen Haus gewesen, und sie hätte auch nicht so viel Einfluß in der Firma gehabt wie jetzt.«
    »Hat sie das? Ich dachte, Alastair leitet die Firma?«
    »Ja, sicher, aber sie ist der Kopf, sie und Quinlan, der Teufel soll ihn holen.«
    Monk erhob sich. Er wollte nicht von McTeer erwischt werden, Wenn er dem Alten seine Stärkung brachte, oder gar von Oonagh, die ihn längst verabschiedet hatte.
    »Vielen Dank, Major Farraline. Es war äußerst interessant. Ich denke, ich werde Ihren Rat befolgen und mich mal darum kümmern, wer sich an den Büchern von Farraline & Company zu schaffen gemacht hat. Einen guten Tag wünsche ich.«
    Hector machte Anstalten, ihn zu verabschieden, dann ließ er sich wieder in seinen Sessel zurücksinken und sah traurig aus dem Fenster.
    Monk wußte bereits eine Menge über die Buchdruckerei Farraline & Co., und auch wo sie zu finden war. Gleich nachdem er das Haus am Ainslie Place verlassen hatte, winkte er einem Wagen und ließ sich die Princes Street entlang zum Leith Walk fahren, der langen Straße, die zum Firth of Forth und den Werften von Leith führte. Vom Ende der Princes Street waren es noch etwas mehr als drei Kilometer, und die Druckerei lag auf halbem Weg. Er stieg aus, bezahlte den Kutscher und machte sich auf die Suche nach Baird McIvor.
    Das Gebäude selbst war groß, häßlich und funktional. Zu beiden Seiten grenzte es an andere Fabrikgebäude; der Schriftzug über der Tür wies das größere von ihnen als Seilerei aus.

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