Dunkler Grund
Innen war eine einzige große Halle, der vordere, freigehaltene Teil bildete eine Art Foyer, von dem aus eine gußeiserne Wendeltreppe zu einem Absatz führte. Dort oben waren mehrere Türen, wahrscheinlich zu den Büros der Abteilungsleiter und der Buchhalter und was es hier sonst noch für Angestellte gab. Der Rest stand der eigentlichen Druckerei zur Verfügung; der Raum war vollgestellt mit Druckmaschinen, Setzerkästen und Druckfarben. Riesige Ballen Papier lagerten am Ende der Halle, zusammen mit Tuch, Faden und weiteren Maschinen zum Binden. Es war nicht laut, nur die gedämpften Geräusche emsiger Betriebsamkeit und gleichmäßiger Bewegung waren zu vernehmen.
Monk fragte den Angestellten, der sich ihm näherte, ob Mr. McIvor zu sprechen sei. Er sagte nichts über den Grund seines Besuchs; offensichtlich glaubte der Mann, es ginge um Geschäftliches, denn er fragte auch nicht danach, sondern führte ihn zur ersten der Türen aus edlem Hartholz, klopfte an und öffnete sie.
»Ein Mr. Monk möchte Sie sprechen, Mr. McIvor.«
Monk dankte ihm und trat sogleich ein, um Baird gar keine Gelegenheit zu geben, ihn abzuweisen. Er hatte kaum einen Blick für die Bücherregale, das helle Gaslicht, das an der Wand zischte, die seltsamen Bogen Papier auf dem Schreibtisch, unbedruckte Bogen (anhand deren wahrscheinlich die unterschiedlichen Papierqualitäten geprüft wurden), und die Stapel von Büchern auf dem Fußboden. Er hatte seine ganze Aufmerksamkeit auf Baird gerichtet, auf das Erstaunen und die Angst in seinem Gesicht.
»Monk?« Er erhob sich halb aus seinem Schreibtischsessel.
»Was wollen Sie hier?«
»Einen Augenblick von Ihrer Zeit«, erwiderte Monk. Er war davon überzeugt, daß er nichts aus Baird herausbekommen würde, wenn er ihm einfach nur Fragen stellte. Wäre genug Zeit gewesen, hätte er es mit Fingerspitzengefühl und kühlem Kopf versucht, aber jetzt mußte er die Brechstange nehmen. »Es gibt Indizien dafür, daß sich jemand an den Geschäftsbüchern zu schaffen gemacht hat und Geld unterschlagen wurde.«
Baird wurde blaß, Zorn stieg ihm in die dunklen Augen, aber Monk ließ ihm keine Zeit zu protestieren. Er lächelte, aber wie ein Wolf, der die Zähne entblößt, ein Lächeln, das wenig Tröstliches hatte. »Mir ist zu Ohren gekommen, daß die Gegenseite einen brillanten Strafverteidiger engagiert hat.« Das war reines Wunschdenken, aber auch wenn es noch nicht so war, er würde alles tun, damit es so sein würde. »Wir wollen doch nicht, daß sie etwas finden und behaupten, hier läge das wahre Motiv für den Mord an Mrs. Farraline, und damit Zweifel an der Schuld der Krankenschwester säen.«
Baird sank in seinen Sessel zurück und sah ihn an, der Zorn erstarb in seinem Blick und machte einem düsteren Verstehen Platz.
»Nein… nein, natürlich nicht«, mußte er zugeben, aber sein Blick blieb wachsam, und Monk fiel auf, daß sich über den Augenbrauen winzige Schweißperlen gebildet hatten. Das bestärkte ihn in seinem Entschluß, die Sache bis zum Ende zu treiben.
»Es wäre ein ausgezeichnetes Motiv für einen Mord«, fuhr er fort. »Ich kann mir vorstellen, daß Mrs. Farraline so etwas nicht geduldet hätte, auch wenn die Bestrafung privat und nicht öffentlich erfolgt wäre.«
Baird zögerte, aber sein Gesicht spiegelte ebensoviel Zorn und Trauer wie unverhohlene Angst wider. Er schien vielschichtiger zu sein, als Monk vermutet hatte – nach seiner ersten verächtlichen Einschätzung eines Mannes, der Eilish einer Frau wie Oonagh vorzog.
»Nein«, gab Baird schließlich zu. »Eine Unterschlagung hätte sie nicht geduldet. Sie hätte sich den Betreffenden, wenn es ein Familienmitglied gewesen wäre, vorgeknöpft. Auf keinen Fall hätte sie es öffentlich gemacht. Solche Dinge schaden dem Ruf einer Firma.«
»Sicher. Aber ein Zuckerschlecken wäre es für den Schuldigen nicht geworden.«
»Ich glaube kaum. Aber… wer hat Sie darauf gebracht, daß mit den Büchern etwas nicht stimmt? Kenneth? Oder… haben Sie Kenneth etwa in Verdacht?«
»Ich habe niemand Bestimmten in Verdacht.« Monk sagte das auf eine Weise, die offenließ, ob es die Wahrheit war oder nur eine ausweichende Antwort. Angst war der wirksamste Auslöser für alle Arten von Enthüllungen.
Baird dachte eine Weile nach. Monk überlegte, ob Schuldbewußtsein oder der Wunsch, niemandem unrecht zu tun, seine Antwort verzögerte. Er tippte eher auf Schuld: Immer noch standen ihm Schweißperlen auf der Stirn, und
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