Dunkler Rausch der Sinne
jetzt als Fluch. Ihre Kollegen sprachen alle über die
Morde; in jedem Stockwerk konnte sie verschiedene Unterhaltungen hören. Sie
wollte nichts davon mitbekommen - wollte nicht wissen, welchen Anteil sie in
den Augen der anderen an diesem Blutbad hatte.
Sie gestand sich ein, dass sie hauptsächlich freundliche und
mitfühlende Worte hörte, aber das verringerte den Schmerz nicht. Und sie hatte
nie Mitleid von anderen gesucht. Als sie sich hinsetzte, revoltierte ihr Magen
wieder, und das Gefühl, dass etwas Böses in der Nähe lauerte, wurde nahezu
überwältigend.
Ihr war bewusst, dass alle
verstohlen in ihre Richtung starrten. Am liebsten wäre sie allein gewesen, um
zu weinen und mit Sachen um sich zu werfen, zu schreien, auf dem Boden des
Badezimmers zu kauern, sich an der Kloschüssel festzuhalten und sich zu
übergeben. Stattdessen zwang sie sich dazu, ihr e Notizen auf ihrem
Schreibtisch auszubreiten. Die Fotos würden später folgen. Jetzt konnte sie
den Anblick noch nicht ertragen.
Es war nicht leicht, ohne Lucian zu sein. Sie war fast jeden Moment mit
ihm zusammengewesen, seit sie nach der Katastrophe in dem Lagerhaus zu sich
gekommen war. Und jetzt, wo sie ihn und seinen Trost mehr denn je brauchte, war
er fortgegangen, um ihren Freund zu retten. Er hatte sich ihretwegen in Gefahr
begeben. Sie fuhr sich mit einer Hand über ihren schmerzenden Kopf.
Ich hin nicht in Gefahr, mein Engel.
Das ist unmöglich. Mittlerweile solltest du das wissen. Bleib ganz ruhig, und
erlaube mir, dich von deinen Kopfschmerzen zu befreien.
Es reicht mir zu wissen, dass du da bist, wenn ich
dich rufe. Und
so war es auch. Jaxon fühlte sich getröstet, geborgen, so, als würde er sie in
seinen starken Armen halten. Bring Barry in Sicherheit, Lucian. Ich werde das
Gefühl nicht los, dass Drake etwas Furchtbares vorhat. Ihr Magen brannte und krampfte
sich immer wieder schmerzhaft zusammen.
Wir sind nicht mehr weit von dem
sicheren Haus entfernt, in dem man Barry untergebracht hat. Ich überprüfe
ständig die Umgebung, und irgendetwas stimmt nicht. Ich fühle etwas Böses, aber
es ist nicht dasselbe, was du in den Wohnungen gespürt hast.
Jaxon kniff die Augen fest zusammen, um die Wirklichkeit
auszuschließen, sei es auch nur für einen Moment. Wenn Drake bereits wusste, wo
Bariy sich aufhielt, war es durchaus möglich, dass es zu spät war, um ihn zu
retten. Sie konnte nur hoffen, dass Daryl angerufen hatte, um die Polizisten,
die Barry bewachten, davor zu warnen, dass Drake wieder mordete und hinter
ihnen her war.
Sie beugte sich über ihre Notizen und versuchte sich zu konzentrieren,
versuchte die Worte zu lesen, aber die Tinte schien vor ihren Augen zu
verlaufen. Wie sollte sie einen ordentlichen Bericht abliefern, wenn sie nicht
einmal ihre eigene Schrift lesen konnte? Es dauerte ein paar Minuten, ehe ihr
klar wurde, dass sie Tränen in den Augen hatte. Mit einem unterdrückten Fluch
sprang sie auf und lief durch den Korridor zu den Waschräumen.
Jeder Schritt, den sie machte, verstärkte die schreckliche Vorahnung
von Unheil. Kleine Schweißperlen traten auf ihre Stirn. Lucian? Sie rief verzweifelt nach ihm.
Ich hin hier. Seine Stimme war leise und sanfter denn je, ein
Wundermittel, das sie sofort beruhigte.
Er tötet jemanden, jetzt, in diesem
Augenblick. Ich kann es spüren. Seht bitte zu, dass ihr schnell bei Barry seid.
Es ist nicht Barry. Dein Captain
telefoniert gerade mit ihm. In ein paar Minuten sind wir da. Irgendetwas ist
dort in dem Haus, aber ich bin mir nicht sicher, ob es Drake ist. Es scheint
anders als das zu sein, was in deinem Gedächtnis auftaucht, wenn deine
Erinnerungen wiederkehren. Ähnlich, aber doch anders.
Wie in meinem Wohnhaus ?
Nein, auch nicht. Wir sind jetzt da.
Ich werde Barry vor diesem Monster beschützen. Damit brach Lucian
die Verbindung ab.
Jaxon machte dieses abrupte Ende stutzig. Es kam sonst nie vor, dass er
sich so wie eben von ihr trennte. Es geschah immer langsam, fast zögernd, so
dass seine Nähe zu bleiben schien und sie ihn fühlen konnte und sich nicht
immer sicher war, ob er tatsächlich fort oder noch ein Schatten in ihrem
Denken war. Diesmal war es anders. Er war vollständig verschwunden, und sie
empfand tatsächlich ein Gefühl von Verlust. Zum ersten Mal war ihr klar, was er
meinte, wenn er von der engen Bindung zwischen Gefährten sprach.
Mit einem Seufzer stieß sie die Tür zum Waschraum auf. Im nächsten
Moment wurde das Gefühl von etwas Bösem und
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