Dunkler Rausch der Sinne
gut kannte, aber jedes Mal,
wenn er geistig mit ihr verschmolz, hatte sie Einblick in sein Innenleben
gehabt, und sie hatte genug gesehen, um zu wissen, dass er ein Meister im
Planen von Schlachten war. Mehr als das aber bedeutete ihr, dass er wissen
wollte, was sie davon hielt.
Sie dachte angestrengt über den jeweiligen Kurs, den sie einschlagen
könnten, nach. »Ich glaube, es ist zu schwer, alle anderen zu beschützen. Da
wir tagsüber nicht bei ihnen sein können, liefern wir sie Drake und allen
möglichen Geschöpfen aus, die der Vampir erschaffen kann. Ich wüsste nicht, was
es dem Vampir bringen könnte, die Menschen hier anzugreifen, wenn wir nicht
mehr da sind. Wir sollten uns einen Ort suchen, wo wir einen Hinterhalt legen
und uns leicht verteidigen können.« Plötzlich fiel ihr auf, dass sie
unkontrolliert zitterte und ihr Haar triefend nass war, während er trocken und
makellos in seinem Morgenmantel vor ihr stand. Sie bedachte ihn mit einem
erzürnten Blick. »Warum bist du knochentrocken, während ich Matschnass bin und
vor Kälte mit den Zähnen klappere?«
Lucian nahm ihre Hände und rieb sie sanft, um sie zu wärmen. Ein
schwaches Lächeln spielte um seine Mundwinkel. »Denk daran, warm und trocken zu
sein. Mal es dir in deiner Phantasie aus. Halte dir das Bild vor Augen, dass
dein Haar und deine Haut trocken sind und dein Körper sich warm anfühlt.« Er
verschmolz mit ihr, um das Chaos in ihrem Inneren zu beruhigen und ihr zu
helfen, die Vorstellung von Wärme und Trockenheit aufzubauen.
Jaxon entzog ihm ihre Hand, um ehrfürchtig ihr Haar anzufassen. »Das
habe ich gemacht? Einfach so? Ohne Föhn, ohne Handtuch?«
»Einfach so.« Wieder regte sich ein Lächeln in ihm, wurde stärker,
erfüllte ihn mit Freude. Sie rief ihm seine Tage als Jugendlicher in
Erinnerung, als er versucht hatte, die Dinge zu lernen, die den Erwachsenen
seiner Art so mühelos gelangen.
»Kann
ich alles, was du kannst?«
Er nickte langsam und beobachtete unter halb gesenkten Lidern ihr
Gesicht. Er wirkte träge, aber Jaxon hatte das Gefühl, dass er hellwach war.
»Was
würdest du gern lernen?«, fragte er sie.
»Jetzt?« Sie fuhr sich mit den Händen über ihre Arme und dachte daran,
wie ihre Haut auf das Licht der aufgehenden Sonne reagiert hatte.
»Deine Haut wird sich abhärten, Jaxon. Irgendwann wirst du dir wieder
einen Sonnenuntergang anschauen können, vorausgesetzt, du trägst dunkle
Gläser. Du solltest dir angewöhnen, immer eine Sonnenbrille bei dir zu haben.
Dadurch sind deine Augen vor dem Sonnenlicht geschützt, wenn du einmal morgens
draußen bist oder früh aufstehen musst. Ich bin vom alten Stamm, und wir
empfinden den Schmerz viel intensiver als die jüngeren Mitglieder unserer
Spezies, aber ich kann mich trotzdem am frühen Morgen relativ problemlos
draußen bewegen. Dadurch ist der Jäger dem Vampir gegenüber im Vorteil. Der
Vampir kann nicht aufstehen, ehe die Sonne gänzlich untergegangen ist. Er kann
nie einen Sonnenaufgang sehen.«
»Sind wir tagsüber wirklich hilflos?« Ein Hauch von Furcht schwang in
ihrer Stimme mit.
Seine Hand glitt durch ihr seidiges Haar zu ihrem Nacken und massierte
sanft die verspannten Muskeln. »Unsere Körper sind zu dieser Zeit eher
lethargisch, das stimmt, aber wir sind nicht völlig wehrlos. Ich bin sehr
mächtig, mein Engel; dir kann nichts zustoßen. Ich würde es nie zulassen.«
Jaxon schmiegte sich in seine Arme und hielt ihn fest. Lucian, der wie
ein Schatten in ihrem Denken schwebte, konnte sehen, wie erschreckend seine
Welt, die so fremdartig und anders war, voller Mythen und Aberglauben und
Gewalt und Kreaturen der Finsternis, auf sie wirkte. Lucian schloss seine Arme
um sie. »Sollten wir jemals Hilfe brauchen, Jaxon, ist mein Bruder nicht weit.«
»Ich raube dir nur ungern deine Illusionen, Lucian, aber dein Bruder
lebt in Paris. Ich habe seine Adresse gesehen. Das ist nicht gleich um die
Ecke, nicht einmal nach deinen Maßstäben.«
»Wenn deine Not groß wäre, könnte er dasselbe tun, was ich aus der
Ferne getan habe - durch deine Augen sehen, dir seine Hilfe und seine Kraft
geben und sogar einen Feind zerstören, der dich bedroht.«
Der
Gedanke, noch ein Mann könnte sich in ihrem Gehirn herumtreiben, war ihr
zutiefst zuwider. Warum es ihr nichts ausmachte, dass Lucian jeden ihrer
Gedanken las, warum es ihr sogar ganz natürlich erschien, verstand sie selbst
nicht, aber sie wusste, dass es ihr unangenehm wäre, wenn jemand anders
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