Dunkler Rausch der Sinne
Bernice und Andrew
Russell und ihrer Tochter Sabrina zusammen war. Sabrina war zwei Jahre älter
als Jaxon und über die Frühlingsferien nach Hause gekommen. »Wohin so eilig?
Unser Master-Chief hat mir erzählt, dass deine Zeiten besser als die seiner
neuen Rekruten sind.«
Jaxon lächelte zerstreut. »Meine Zeiten sind jedes Mal, wenn er eine
neue Gruppe bekommt, besser als die der Rekruten. Ich trainiere mein ganzes
Leben lang, und ich muss wohl gut sein, sonst hätte Master-Chief mich längst
rausgeschmissen. Ein Jammer, dass bei den SEALs keine Frauen zugelassen sind.
Es ist das Einzige, wofür ich mich eigne. Ich habe vorzeitig meinen Schul-
abschluss gemacht und jede Menge Empfehlungen fürs College bekommen, aber ich
habe keine Ahnung, was ich machen soll.« Sie fuhr sich nachlässig mit einer
Hand durchs Haar und zer- strubbelte es noch mehr. »Ich bin zwar jünger als die
meisten anderen College-Studenten, aber ehrlich gesagt, ich fühle mich so viel
älter als sie, dass ich manchmal schreien könnte.«
Don sehnte sich danach, sie in die Arme zu nehmen, sie zu trösten. »Du
warst schon immer was Besonderes, Jaxx. Lass dich von den anderen nicht aus dem
Konzept bringen.« Er wusste, dass ihr Problem in Wirklichkeit darin bestand,
dass sie das Trauma ihrer Familientragödie nicht überwinden konnte. Wie sollte
sie auch. Er bezweifelte, ob irgendjemand das schaffen würde. »Und wohin
willst du jetzt?«
»Sabrina ist zu Hause, und wir wollen heute Abend ins Kino gehen. Ich
habe versprochen, mich diesmal nicht zu verspäten.« Jaxon schnitt ein Gesicht.
»Ich bin immer zu spät dran, wenn ich vom Training komme. Anscheinend schaffe
ich es einfach nicht, rechtzeitig hier rauszukommen.« Das Trainingsgelände war
der einzige Ort, an dem sie so ausgelastet war, dass sie an nichts anderes
denken konnte. Sie trainierte mit vollem Körpereinsatz, um so die Dämonen eine
Weile in Schach zu halten.
Jaxon hatte sich schon so lange nicht mehr sicher gefühlt, dass sie
sich kaum noch erinnern konnte, wie es war, eine Nacht durchzuschlafen. Tyler
Drake war immer noch irgendwo da draußen und hielt sich versteckt. Sie wusste,
dass er in der Nähe war; manchmal spürte sie sogar, dass er sie beobachtete.
Nur
Russell glaubte ihr, wenn sie
ihm das erzählte. Russell kannte sie mittlerweile. Jaxon hing nicht
irgendwelchen Phantastereien nach, und sie neigte auch nicht zu Hysterie. Sie
besaß einen sehr ausgeprägten sechsten Sinn, der sie jedes Mal warnte, wenn
Gefahr drohte. Sie hatte jahrelang Seite an Seite mit Tyler trainiert. Wenn sie
eine Spur als ihm zugehörig zuordnete, glaubte Russell Andrews ihr
bedingungslos.
»Was schaut ihr euch an?«, fragte Don. »Ich habe seit einer Ewigkeit
keinen guten Film mehr gesehen.« Er hoffte unverkennbar auf eine Einladung,
die beiden Mädchen zu begleiten.
Jaxon schien es nicht zu bemerken. Sie zuckte die Achseln. »Ich weiß
nicht. Sabrina wollte den Film aussuchen.« Ihr Herz fing an zu hämmern. Es war
verrückt. Sie stand hier draußen im Freien mit einem Jungen, den sie ihr Leben
lang kannte, und doch fühlte sie sich weit entfernt von allem und jedem und
sehr allein. Dunkelheit breitete sich in ihrem Inneren aus, begleitet von einem
namenlosen Grauen.
Don fasste sie nicht an, obwohl sie so still und blass geworden war,
dass er Angst um sie hatte. »Jaxon? Fehlt dir was? Was ist los?«
»Irgendetwas stimmt nicht.« Sie flüsterte die Worte so leise, dass er
sie kaum verstand.
Jaxon schoss an Don vorbei und stieß ihn zur Seite. Don, der sie in
dieser Verfassung nicht allein lassen wollte, rannte ihr nach. Jaxon war immer
so kühl und reserviert, dass Don kaum glauben konnte, sie so aus der Fassung
geraten zu sehen. Sie warf keinen Blick in seine Richtung, sondern rannte
direkt zum Haus ihrer Pflegeeltern. Nach dem Tod ihrer Mutter und ihres Rruders
und dem mysteriösen Verschwinden ihres Stiefvaters hatten Russell und Bernice
Andrews Jaxx aufgenommen und ihr ein liebevolles Zuhause gegeben. Russell und
seine Kollegen der Spezialeinheit hatten Jaxons Training fortgesetzt, da ihnen
klar war, dass sie die körperliche Betätigung brauchte, um die Erinnerungen an
ihre traumatische Vergangenheit abzuschwächen. Dons Vater war Mitglied dieses
Teams und sprach häufig mit seinem Sohn über die Tragödie. Niemand konnte mit
absoluter Sicherheit sagen, ob Tyler Drake Matt Montgomery tatsächlich getötet
hatte, wie er vor Rebecca behauptet hatte, aber es bestanden kaum
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