Dunkler Rausch der Sinne
Bedrohung für mich«, beharrte sie eigensinnig.
Er legte eine Hand auf ihren Rücken und drängte sie sanft aus der
Küche. »Uns bleibt nur die Nacht für unseren Aufbruch. Wir müssen einen Ort
finden, der vor der Sonne geschützt und leicht zu verteidigen ist. Der Plan
ist, diejenigen, die uns verfolgen, in eine Falle zu locken, nicht, draußen im
Freien erwischt zu werden.«
Sie ging eng an seine Schulter geschmiegt mit ihm und passte ihre
Schritte seinem Rhythmus an. »Wir können uns unterhalten, während wir meine
Sachen verstauen.«
»Hartnäckigkeit ist nicht immer eine Tugend, Jaxon.« Er versuchte,
streng zu klingen, obwohl er sie dafür bewunderte, dass sie den Dingen immer
auf den Grund gehen wollte.
Sie grinste ihn verschmitzt an. »Doch, ist es. Es ist die einzige
Möglichkeit, die Sachen herauszufinden, die du lieber vor mir verheimlichen
möchtest. Sie wollten mir also etwas tun. Wie in aller Welt ist es dir
gelungen, aus ihnen so nette Männer zu machen, die nur an Geld denken, nicht an
Mord?«
»Ich
habe ihr Blut getrunken.«
Sie blinzelte überrascht. »Aber ich habe überhaupt nichts gehört! Und
ich war direkt hinter dir. Wie hast du das so schnell geschafft? Sie waren alle
in verschiedenen Räumen. So schnell kannst du doch nicht sein, oder?«
»Doch, kann ich, wenn ich
Eleganz zu Gunsten von Geschwindigkeit opfere. Es ist gar nicht so schwer. Bis
du oben warst, hatte ich die Lage bereits unter Kontrolle. Es war ganz leicht,
Barton die Geschichte einzupflanzen und die anderen dazu zu bringen, das alles
zu glauben und den Mund zu halten.«
»Warum? Weißt du, warum sie meinen Tod wollten?« Sie sammelte die
wenigen Kostbarkeiten zusammen, die sie besaß. Fotos von ihrer Mutter und ihrem
Bruder. Klein-Matthews Lieblingsdecke. Ihre Finger strichen wie von selbst
liebevoll über den dünnen Stoff. Es war offenkundig, dass sie das sehr oft
machte.
Lucian fuhr ihr durchs Haar. »Die Decke war nach seinem Tod eines der
wenigen Dinge, die dir vorübergehend Trost schenken konnten.«
Sie hielt die Decke an ihr Gesicht und atmete tief ein. Nach all den
Jahren konnte sie immer noch Matthews Geruch wahrnehmen. »Er war so klein und
so lustig. Seine Augen tanzten vor Übermut, wenn er Streiche spielen wollte. Er
war so süß, Lucian. Manchmal ertrage ich es kaum, an ihn zu denken. Es tut
immer noch genauso weh, als wäre es gerade erst passiert. Man sagt, dass die
Zeit alle Wunden heilt, aber wenn ich daran denke, ist der Schmerz immer noch
scharf und schlimm und so erstickend, dass ich kaum atmen kann.«
Er zog sie in seine Arme und
nahm ihr gleichzeitig die Decke weg. Zusammen mit der Decke entfernte er die
belastenden Erinnerungen und rief ihr ihren Entschluss wieder ins Gedächtnis,
herauszufinden, wer ihre Gäste gewesen waren und was er getan hatte, um die
Situation in den Griff zu bekommen. Lucian faltete die Decke rasch zusammen. Er
wusste, welche Schmerzen sie für Jaxon barg. Die Stofffasern enthielten die
Schreie und die Tränen des Jungen, und Jaxon, sensibel, wie sie war, musste es
einfach spüren. Er konnte die Qual, die sich so tief in ihr Herz gegraben
hatte, nicht ertragen, und er sah keinen Grund, sie unablässig leiden zu
lassen, wenn er es einfach beenden konnte.
Jaxon blinzelte und legte eine Hand an ihren Hals. Woran hatte sie
gedacht? Irgendetwas hatte sie abgelenkt, obwohl sie fest entschlossen gewesen
war, hinter die Vorgänge im Haus zu kommen. Lucian musste sehr viel daran
gelegen sein, die Wahrheit vor ihr zu verbergen. Sie langte nach ihrer
Schmuckschachtel. »Warum wollten diese Männer mich töten, Lucian? Und diesmal
bitte eine offene Antwort.«
»Ich habe sie nicht gefragt.« Er nahm ihr die Schachtel aus der Hand.
Sie enthielt den Schmuck ihrer Mutter, sehr schöne Stücke. Rebecca Montgomery
war aus reichem Haus gewesen. Sie besaß Diamanten, Rubine, Smaragde und
Saphire, die an Halsketten, Ohrringen und Armbändern blitzten. Jaxon trug die
Sachen nie, schaute sie nur manchmal an.
»Das musstest du auch gar nicht«, stellte Jaxon fest. »Du musstest nur
in sie hineinschauen.« Ihre dunklen Augen funkelten ihn herausfordernd an.
Lucian schüttelte den Kopf. »In all den Jahrhunderten meines Daseins
hat mich noch nie jemand so ausgefragt wie du. Wenn ich beschließe, dass etwas
getan werden muss, tue ich es einfach. Niemand stellt meine Entscheidungen in
Frage.«
»Du bist nicht Gott. Du kannst nicht immer Recht haben.« Das Aufblitzen
ihrer Augen verriet
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