Dunkler Rausch der Sinne
was zählte.
Als Lucian den Kopf hob, war Jaxon wie benommen und musste ein paar Mal
blinzeln, um ihre Umgebung wieder wahrzunehmen. Im selben Moment schnappte sie
nach Luft und stieß ihn weg. Er setzte sie ab, auf Beine, die aus Gummi zu sein
schienen, aber der Schock hielt sie aufrecht. Sie waren beim Haus, direkt vor
der Hintertür, die in die Küche führte. Ihre Zähne gruben sich so tief in ihre
Unterlippe, dass ein winziger Blutstropfen hervorquoll. Sie konnte den
metallischen Geschmack wahrnehmen.
»Wie sind wir hierhergekommen?« Sie hob eine Hand, als wollte sie ihn
abwehren.
Lucian ignorierte die Geste und trat näher, sodass er sich vorbeugen
und erneut ihren Mund finden konnte. Seine Zunge strich über ihre Lippen,
liebkoste, heilte, kostete ihren Geschmack aus. Jaxon stemmte sich mit beiden
Händen gegen den unnachgiebigen Wall seines Oberkörpers. Sie wollte sich nicht
schon wieder von seiner schwarzen Magie mitreißen lassen.
»Antworte
mir. Wie sind wir hierhergekommen?«
Er
wirkte belustigt. »Es ist gar nicht so schwer, durch ...«
»Hör auf!« Jaxon hielt sich die Ohren zu. »Sag nichts, bis ich
nachgedacht habe. Jedes Mal, wenn du etwas sagst, machst du mich noch
wahnsinniger!«
Seine schwarzen Augen lachten sie schamlos aus. Träge streckte er eine
Hand aus, um das Gewehr von ihrer Schulter zu nehmen. Sie war unglaublich schön
und anziehend, wie sie mit ihren großen tiefbraunen Augen und dem ungebändigten
Haar vor ihm stand. Aber ihr Verstand bemühte sich verzweifelt, Antworten zu finden,
und da sie unter Druck zu gewalttätigen Reaktionen neigte, schien es besser,
das Gewehr verschwinden zu lassen.
Der Schrei eines Wolfes klang fröhlich durch die Nacht. »Da!« Sie
deutete auf den Wald. »Deine kleinen Freunde rufen dich. Geh eine Weile mit
ihnen spielen. Im Moment bist du mir einfach zu viel. Ich brauche eine Pause.«
Er streckte einen Arm aus. »Mit den Wölfen zu laufen macht wirklich
viel Spaß, mein Engel.« Fell kräuselte sich auf seinem Arm, schimmerndes
schwarzes Fell. Seine Hand verzerrte sich und veränderte die Form.
Jaxon hörte sich schreien. Sie konnte nicht glauben, dass der erstickte
Laut aus ihrer Kehle kam. Jäh fuhr sie herum, riss die Hintertür auf, schoss
hinein und knallte die Tür zu. Sie schob jeden einzelnen Riegel vor, ehe sie
sich auf den Küchenboden sinken ließ. Mit angewinkelten Knien wiegte sie sich
hin und her.
Das alles passierte in Wirklichkeit nicht. Es konnte nicht passieren. Was bist du?, schrie es in ihrem Inneren.
Was war er? Was sollte sie tun? Wenn sie die Polizei rief, würde niemand ihr
glauben. Oder schlimmer noch, man würde ihr doch glauben und dann würde die
Regierung Lucian in ein Labor stecken und ihn untersuchen. Jaxon vergrub ihr
Gesicht in den Händen. Was sollte sie bloß tun? Vielleicht war es einfach ein
Trick, ein Zauberkunststück. Nur weil er dieses grausige Geschöpf als Vampir
bezeichnet hatte, musste es nicht stimmen. Es war ein Taschenspielertrick, eine
Illusion. Es musste so sein. Er war ein erstklassiger Zauberkünstler. Und damit
machte er wohl auch sein Geld. Waren nicht alle großen Zauberkünstler
Millionäre? Bitte, lass sie alle Millionäre sein!, betete sie still.
Irgendetwas bewog sie, den Kopf zu heben. Sie achtete darauf, ihre
Hände vor dem Gesicht zu lassen und durch die Finger zu spähen. Durch die
offene Tür, die in den Flur führte, sah sie etwas, das wie eine flache
Nebelbank aussah. Es schien einen Moment lang einfach in der Luft zu schweben.
Sie biss sich in die Fingerknöchel. Nebel. Im Haus. Natürlich war Nebel in
Lucians Haus. War nicht bei allen Leuten Nebel im Haus?
Dann erschien Lucians elegante
Gestalt in der Tür und versperrte den Blick auf den Flur. Seine dunklen Augen
glitten langsam über ihr Gesicht. Sie sah, wie besitzergreifend der Ausdruck
in diesen Augen war, sah es und wäre am liebsten weggelaufen. Aber sie konnte
nicht einmal auf die Beine kommen, geschweige denn flüchten. »Geh weg, Lucian.«
»Ich habe dir Angst gemacht, Liebes. Das tut mir leid. Ich wollte dich
nur ein bisschen aufziehen.«
Ihre langen Wimpern flatterten leicht, bevor sie den Mut fand, ihm ins
Gesicht zu sehen. Warum musste er eine so starke Persönlichkeit haben? Er
strömte reine Macht aus. »Klar, jeder, den ich kenne, kann sich in einen Wolf
verwandeln. Denn das hast du doch gemacht, oder? Dich in einen Wolf
verwandelt?« Ihre Zähne bohrten sich in ihre Knöchel.
Er durchquerte den Raum mit
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