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Dunkler Schlaf: Roman (German Edition)

Dunkler Schlaf: Roman (German Edition)

Titel: Dunkler Schlaf: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karin Fossum
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er eine Brille trägt und so.«
    Sie fing an, ihren Sohn zu beschreiben. Kein Bart, keine Brille, keine besonderen Kennzeichen, schöne Zähne, ostnorwegischer Akzent, psychisch ganz normal. Einhundertfünfundachtzig Zentimeter groß, blaue Augen, ja, sie spielten ein wenig ins Grünliche, um ganz genau zu sein, lange rotbraune Locken. Unauffälliger Gang. Skarre schrieb. In Gedanken malte er ein Bild des Vermißten, das vermutlich nicht stimmte.
    »Hat er eine Kreditkarte?« fragte er.
    »Will er nicht.«
    »Ist er schon häufiger nachts nicht nach Hause gekommen?«
    »Das hat doch nichts mit diesem Fall zu tun«, sagte sie mürrisch.
    »Doch«, sagte Skarre. »Hat es wohl.«
    »Damit Sie diese Meldung ganz unten in den Stapel legen und als weniger wichtig einstufen können?«
    »Ihr Sohn ist erwachsen«, sagte Skarre bedächtig, darum bemüht, auf diesem Messer von Frau zu balancieren.
    »Was heißt schon erwachsen«, erwiderte sie trocken.
    »Juristisch gesehen ist er erwachsen. Also haben wir ihn auch so zu behandeln. Sie müssen diese Fragen verzeihen. Und Sie sehen doch sicher ein, daß wir, da Ihr Sohn mündig ist und bestimmt auf sich selbst aufpassen kann, diesen Fall bis auf weiteres nicht für sonderlich dramatisch halten. Wenn es um ein Kind ginge, lägen die Dinge anders. Da stimmen Sie mir doch sicher zu?«
    Sein Ton war ausgesucht freundlich.
    »Er kommt sonst immer nach Hause.«
    »Und das wird er gewiß auch dieses Mal tun. Die meisten finden sich relativ schnell wieder ein. Manche sind erschöpft nach einer Spritztour mit der Dänemarkfähre oder einem Fest, das ein wenig zu heftig ausgefallen ist. Ist das schon mal vorgekommen?« fragte er noch einmal.
    »Daß er die Dänemarkfähre genommen hat?« Sie musterte ihn pikiert. »Das kann er sich nicht leisten. Ja, es ist schon vorgekommen«, gab sie schließlich zu. »Einmal. Vielleicht zweimal. Aber es ist keine Gewohnheit.«
    »Wir werden die Sache schon klären. Zusammen«, fügte er hinzu, eine optimistisch klingende Aufforderung.
    Sie öffnete ihre Handtasche und zog ein Bild heraus. Skarre betrachtete es. Der Junge sah wirklich ungewöhnlich gut aus. Kein Wunder, daß seine Mutter Angst hatte. Reiß dich zusammen, dachte er.
    »Wer hat dieses Bild aufgenommen?« fragte er neugierig.
    »Warum wollen Sie das wissen?« fragte sie zurück.
    »Gute Frage.« Er zuckte mit den Schultern. »Ich versuche, freundlich zu sein. Auf meine eigene, ungeschickte Weise.«
    »Verzeihung«, flüsterte sie. »Ich bin nicht ganz ich selbst. Ich bin um acht aufgestanden, um ihn zu wecken. Er arbeitet bei Cash & Carry. Sein Bett war unberührt. Ich habe bis zehn gewartet und dann im Laden angerufen, einem Eisenwarenladen. Aber er war nicht zur Arbeit gekommen. Er hat schon ein paarmal blaugemacht, das gebe ich zu.«
    »Sind Sie böse auf ihn?« fragte Skarre mild. »Weil er Sie mit seinem Verschwinden quält?«
    »Natürlich bin ich böse«, antwortete sie.
    »Mehr böse als ängstlich?« Er starrte sie aus blauen Augen an.
    »Er ist verschwunden«, sagte sie leise. »Jetzt habe ich immerhin getan, was ich tun konnte.«
    »Ich schreibe einen Bericht. Lassen Sie mir das Bild hier. Wir geben eine Vermißtenmeldung heraus. Für den Anfang nur an die PN.«
    »Und was ist das?«
    »Die Polizeinachrichten. Die haben Kontakt zu den zentralen Behörden in allen nordischen Ländern. Sie wissen, wir leben im Computerzeitalter. Das ist doch zumindest ein Anfang?«
    »Was ist mit Fernsehen und Zeitungen?« hakte sie nach.
    »Vielleicht noch nicht gleich. Aber das müssen andere entscheiden. Verstehen Sie«, er lächelte, »ich bin ja nur ein einfacher Beamter.«
    Er krempelte sich die Hemdsärmel auf. Sie sollte bloß nicht glauben, daß es hier nicht jede Menge zu tun gab. Wenn die wüßte, dachte er.
    »Wie war er angezogen?«
    »Baumwollhose, ziemlich hell. T-Shirt und darüber ein helles Hemd, vermutlich ein gelbes. Ich habe ihn nicht gesehen, als er gegangen ist, er hat sich vom Flur aus verabschiedet, aber das gelbe Hemd fehlt in seinem Schrank. Und schwarze Schuhe. Er sieht gut aus«, fügte sie hinzu.
    »Ja.« Skarre lächelte. »Und sein Vater? Was sagt der?«
    »Der weiß es nicht.«
    »Ist er verreist?«
    »Er ist ausgezogen«, sagte sie leise.
    »Aber er sollte vielleicht informiert werden?«
    »Von mir auf keinen Fall.« Ihre Miene wurde abweisend.
    Skarre musterte sie forschend.
    »Es wäre schön, wenn wir in dieser Hinsicht zusammenarbeiten könnten. Es besteht

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