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Dunkler Schlaf: Roman (German Edition)

Dunkler Schlaf: Roman (German Edition)

Titel: Dunkler Schlaf: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karin Fossum
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wirklich nicht die geringste Möglichkeit, daß er bei seinem Vater ist?«
    »Nie im Leben«, erwiderte sie heftig.
    »Haben Sie sich erkundigt?«
    »Nein.«
    »Haben Sie mit seinen Freunden gesprochen?«
    »Er hat nur einen. Sie waren gestern zusammen. Ich habe versucht, ihn anzurufen, aber es war niemand zu Hause. Ich versuche es später noch einmal.«
    »Dann ist er sicher dort?«
    »Nein. Ich kenne die Mutter. Die hätte ihn nach Hause geschickt.«
    »Das bedeutet, daß beide verschwunden sein können?«
    »Das weiß ich wirklich nicht. Mir reicht es, daß einer fehlt.«
    »Ich brauche den Namen des Vaters«, sagte Skarre. »Und den dieses Freundes. Und die Telefonnummer. Wenn es Ihnen schwerfällt, mit dem Vater zu sprechen, können wir Ihnen das abnehmen.«
    Sie dachte kurz nach, erwog diese Aussichten. Eine Konfrontation, vor der sie sich schon lange fürchtete, vielleicht. Ein Eintauchen in einen Schlamm, der sich endlich gesetzt hatte.
    »Wie geht es jetzt weiter?« fragte sie.
    »Ihre Anzeige ist notiert. Wir melden uns, wenn sich etwas tut. Ich schlage vor, daß Sie zu Hause bleiben, für den Fall, daß er anruft.«
    »Ich kann doch nicht zu Hause herumsitzen und warten! Das halte ich nicht aus.«
    »Haben Sie Arbeit?«
    »Teilzeit. Heute habe ich frei.«
    »Versuchen Sie, nicht böse zu sein. Das ist sicher nicht das, was er brauchen wird, wenn er auftaucht.«
    »Wie meinen Sie das nun wieder? Sie machen sich doch keine Sorgen um ihn. Sie sagen doch, er hat die Dänemarkfähre genommen.«
    »Nein«, entgegnete Skarre müde. »Das sage ich nicht. Warten wir ab. Vielleicht ist er inzwischen schon zu Hause.« Er erinnerte sich daran, daß er das gewollt, daß er davon immer geträumt hatte: Menschen helfen zu können. »Vielleicht haben Sie Verwandte, mit denen Sie reden können? Die Ihnen eine Stütze sein könnten?«
    Frau Winther rieb sich ein Auge. Er hörte ein leises Klicken, als der arme Augapfel durch die Augenhöhle gejagt wurde. »Ich brauche ein Taxi. Könnten Sie mir eins bestellen?«
    Skarre steckte die Vermißtenmeldung in eine Plastikmappe, rief die Zentrale an und bat um ein Auto.
    »Bitte, rufen Sie uns an, sobald er auftaucht. Vergessen Sie das nicht.«
    Er betonte das Wort »sobald«. Und dann verschwand Frau Winther. Sie verließ das Büro mit gequälter Miene; sie sah aus wie eine, die eine unangenehme Pflicht erledigt und dafür keinen Lohn erhalten hat. Skarre starrte das Bild an. Andreas Winther, dachte er, gib’s nur zu! Du liegst irgendwo mit einem grausigen Kater im Bett. Neben einem Mädchen, dessen Name dir nicht einfallen will. Ich nehme an, sie ist reizend, zumindest war sie das gestern. Du mobilisierst deine wenigen verbliebenen Kräfte, um eine Entschuldigung zu finden, die du bei der Arbeit vorbringen kannst. Schreckliche Kopfschmerzen. Leichtes Fieber. Mit diesem Gesicht kannst du bestimmt alle Vorgesetzten versöhnlich stimmen. Egal, ob Mann oder Frau.
    Plötzlich stand Konrad Sejer in der Tür. Skarre staunte immer wieder darüber, wie groß der Kollege war. Und wie ungeheuer präsent. Mit einer Miene, als habe er den eigenhändig getischlert, ließ er sich in den zweiten Sessel sinken. Griff sich kurz an die Füße und zog an den Socken. Deren Saum war ausgeleiert und schlaff. »Irgendwas los?«
    Er entdeckte das Bild. Hob es auf und musterte es.
    »Vermutlich nicht. Aber hübsch ist er. Seit gestern vermißt. Andreas Winther. Wohnt bei seiner Mutter.«
    »Ein entzückender Bursche, wie mir scheint. Vielleicht hat er sich ja in der Stadt bemerkbar gemacht.«
    »Gut, daß Frau Winther dich nicht hören kann.«
    »Der ist bestimmt auf der Piste. Aber junge Männer haben ja ein ganz besonderes Verhältnis zu Mutterns Kochtöpfen.« Sejer war nur mäßig interessiert. Es gab zu viele von der Sorte, und vor allem gab es ernstere Angelegenheiten, die ihm mehr zu schaffen machten. Robert zum Beispiel. Der darauf bestand, sich des Mordes an Anita für schuldig zu bekennen. Zur großen Verzweiflung seines Verteidigers. Er dachte, das kommt schon in Ordnung. Scher dich nach Hause, Andreas.

 
    D er neue Tag kam unweigerlich. Ich blieb bis neun liegen. Schleppte mich vom Bett in die Küche. Mein eigenes Schlurfen störte mich. Hörte sich das wirklich so an? Konnte das tatsächlich wahr sein? Ich starrte die kleine Unebenheit unter dem Läufer an, den Eisenring. In deinem Keller liegt ein Toter und schreit, Irma. Das ist ein wirklicher Alptraum, und er hört nicht auf. Ich ging

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