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Dunkler Schlaf: Roman (German Edition)

Dunkler Schlaf: Roman (German Edition)

Titel: Dunkler Schlaf: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karin Fossum
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und es nahm einfach kein Ende. Auch Philip schrie. Ich selber starrte sie an und wurde langsam nervös. Hoch mit der Schranke, hoch mit der Schranke, rief ich. Und dann öffnete sich die Schranke, und wir rasten los in unserem alten Ford, daß die Reifen kreischten.«
    Sara lächelte zufrieden.
    »Und weißt du was?« fuhr Sejer fort. »Danach war sie verschwunden. Sie saß nicht mehr im Häuschen. Vielleicht hat sie wegen der Maus aufgehört. Vielleicht hatte sie Angst, daß das nächste eine Spinne sein könnte. Oder eine Schlange. Oder was auch immer. Genaugenommen«, murmelte er, »haben wir einen Menschen vom Arbeitsplatz wegschikaniert.«
    »Nein, jetzt übertreibst du aber.« Sara lachte.
    »Warum sollte sie denn sonst verschwunden sein?«
    »Das kann jede Menge andere Gründe haben.«
    »Ich bin mir da nicht so sicher.«
    Im Gleichschritt wanderten sie weiter. Sejer machte kürzere Schritte als sonst.
    »Aber ganz ehrlich.« Sie schaute auf. »Ist das alles, was dir einfällt, wenn du deine Schandtaten aufzählen sollst?«
    »Genügt dir das nicht?«
    »Es ist eine recht niedliche Geschichte«, gab sie zu. »Aber auch jämmerlich.«
    »Deine sind natürlich besser?«
    »Irgendwann erzähl ich sie dir. Spät am Abend. Sonst wird es zuviel für dich.«
    »Das bist du schon«, sagte er. »Du bist zuviel für mich.«
    »Es ist so schwer«, sagte Sara plötzlich, »jetzt zu leben. In diesem Moment. Wir verbringen unsere Zeit vor allem in der Vergangenheit. Oder in der Zukunft, beides so ungefähr zu gleichen Teilen. Aber jetzt zu leben, das schafft fast niemand! Außer Kindern. Oder Irren. Oder Kranken mit einem chronischen Schmerz, dem sie nicht entkommen können. Und die meiste Zeit machen wir uns wegen irgend etwas Sorgen.«
    »Geht es dir denn nicht so?« fragte er zweifelnd.
    Er legte ihr den Arm um die Taille. Und staunte darüber, wie unterschiedlich sie waren. Eigentlich paßten sie nicht zueinander, jedenfalls nicht auf Dauer. Es würde nicht von Dauer sein . Sie kam auf alle möglichen Ideen; er wußte nicht, ob seine Nerven ihre vielen Einfälle würden verkraften können.
     
    Sara hatte etwas Unberechenbares, er hatte noch nie einen Menschen wie sie gekannt. Ob es überhaupt möglich war, sie richtig kennenzulernen? Ihren seltsamen Sprüngen zu folgen, sich daran zu gewöhnen? Sie zu mögen? Natürlich gefielen ihm diese Kapriolen. Sie brachte ihn zum Lachen. Und dann war sie plötzlich wieder todernst. Ihre Stimmungen wechselten schnell, und zugleich hatte sie alles im Griff. Offenbar meinte sie allen Impulsen folgen zu müssen. Statt sie zu bewerten und zu unterdrücken, wie er das tat. Erst denken und dann handeln. War das denn nicht wichtig?
    Später, als sie endlich zu Hause waren, ging er in die Küche. Plötzlich stand sie in der Tür und sah ihn an. Ihre Miene machte ihn stutzig.
    »Wollte nur einen Kaffee machen«, murmelte er und drehte den Wasserhahn auf.
    »Ich brauche aber keinen Kaffee.« Sie kam auf ihn zu, drehte den Hahn zu und drückte sich an ihn.
    Er zögerte noch immer, konnte aber nicht widerstehen und gab schließlich nach. Spürte ihre Entschiedenheit, wußte, daß sie nicht lockerlassen würde.
    »Trag mich ins Bett«, befahl sie.
    Er schüttelte den Kopf, ließ sie jedoch nicht los.
    »Dann eben nicht. Die Küche ist auch gut. Am Spülstein. Das habe ich in amerikanischen Filmen gesehen.«
    »Was?«
    »Es sieht so spannend aus«, flüsterte sie.
    Er fühlte sich wie benebelt. Wußte gar nicht, ob er das schaffen würde. Aber er hielt sie noch immer im Arm und spürte etwas in sich aufsteigen. Alles konnte er unterdrücken, nur das nicht. Gleichzeitig wirbelte ihm der Gedanke durch den Kopf, daß er Ruhe bewahren müsse, statt sich gehenzulassen wie ein Teenie. Aber er wollte nicht versagen, jetzt nicht. Dann eben in anderer Hinsicht. Indem er nicht kochen konnte und mit seinem Hund nicht fertig wurde.
    »Kannst du jetzt endlich deine Gedanken wegsperren?«
    »Du machst es mir nicht leicht«, sagte er. »Ich bin doch nur ein Mann.«
    »Ja«, sie lächelte. »Armes Männchen. Ist so verletzlich geworden, als es sich damals auf die Hinterbeine gestellt hat.« Sie lachte hämisch an seiner Brust. »Ihr glaubt, daß ihr es so besonders schwer habt, daß eure Triebe so viel heftiger sind als unsere, aber das stimmt gar nicht.«
    »Nicht?« preßte er hervor. Er war außer Atem. Gott sollte ihm beistehen!
    »Jetzt«, sagte sie und drückte sich an ihn. »Jetzt, wo ich solche Lust

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