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Dunkler Schlaf: Roman (German Edition)

Dunkler Schlaf: Roman (German Edition)

Titel: Dunkler Schlaf: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karin Fossum
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auf dich habe, weißt du, was das für ein Gefühl ist? Hat dir das schon mal irgendeine Frau erzählt?«
    Er gab sich Mühe, aber in einem solchen Moment konnte er sich einfach nicht an andere Frauen erinnern, denn er spürte ihre Lust in seinem eigenen Körper und staunte darüber, daß er das in einem anderen Menschen auslösen konnte.
    »Das ist, als hätte ich einen Fisch zwischen den Beinen«, flüsterte sie. »Einen weichen Fisch mit stumpfer Schnauze, der ganz weich zustößt und durchwill, und ich werde verrückt, wenn er das nicht schafft.«
    »Einen Fisch?« fragte er verwundert.
    Das Telefon klingelte. Er reagierte rasch, das steckte ihm einfach in den Knochen. Er schaute auf die Uhr, es war fast Mitternacht. Das mußte entweder Ingrid sein oder jemand von der Arbeit. Er mußte rangehen. Also lief er zum Telefon, stand zwei Sekunden mit dem Hörer in der Hand da und lauschte. Sara ging zu ihm, verschränkte die Arme und beobachtete ihn. Er legte den Hörer auf die Gabel.
    »Du mußt los, nicht wahr? Jemand ist gestorben.«
    Er nickte langsam.
    »So ist es, wenn man einen Polizisten zum Liebhaber hat«, sagte sie nervös.
    Er schwankte leicht. Lehnte sich an die alte Kommode, spürte, wie der Schlüssel sich in seinen Rücken bohrte.
    »Ist jemand tot?« fragte Sara.
    »Meine Mutter«, sagte er leise. »Meine Mutter ist gestorben. Vor zwei Stunden.« Dann seufzte er tief. »Während ich Bier getrunken habe.«
    Er ging an ihr vorbei auf den Flur. Machte kehrt und kam wieder ins Zimmer. »Ich muß Ingrid anrufen.«
    »Sicher.«
    »Was sollen wir nur Matteus erzählen?« flüsterte er.
     
    Auf dem Weg zur Garage trödelte er herum. Immer wieder dachte er: Jetzt mache ich mich zum letzten Mal auf den Weg zu Mutter. Zum Pflegeheim. Durch die Tür, zum Bett, das letzte Mal. Langsam fuhr er durch die Stadt. Die war nachts im Grunde schön, das rote Turmgebäude malerisch angestrahlt, die Lichter funkelten im Flußwasser. War es nicht stiller als sonst? Als er auf den Parkplatz rollte, registrierte er eine Veränderung. Es war Nacht, keine Besuchszeit, der Platz lag einsam da. Nichts stimmte, alles war seltsam. Daß er hier war, mitten in der Nacht. Daß die Tür verschlossen war. Er mußte klingeln und der Gegensprechanlage seinen Namen nennen. Fast um Einlaß flehen. Er hustete einige undeutliche Worte in die Anlage und stemmte die Schulter gegen die Tür. Im Haus zögerte er dann und schielte zur Treppe hinüber. Er mußte noch nachdenken. Die Stationsschwester sah ihn vom Dienstzimmer aus.
    »Möchten Sie allein sein?«
    Er nickte.
    »Lassen Sie sich Zeit.«
    Er steuerte die breite, metallblaue Tür an. Seit Jahren hatte sie in diesem Bett gelegen, ohne sich bewegen zu können, ohne ihn zu erkennen, wenn er sie besuchen kam. Aufgrund einer Thrombose im Stammhirn. Eine winzige Verstopfung an der falschen Stelle, und damit war sie verschwunden gewesen. Nur ihr Herz hatte noch geschlagen. Doch ihr Blick war durch das Zimmer gewandert, flackernd, auf der Suche nach etwas, das er nicht fand. Was hatte sie gesehen? Sah sie alles, was sie sah, zum ersten Mal? War ihr klar, daß sie immer im selben Zimmer lag? Hatte sie Wünsche, die sie nicht in die Tat umsetzen konnte? Er hatte von solchen Fällen gehört. Hätte er für sie auch eine Lampe sein können? Oder ein Garderobenständer? Hatte sie Gedanken, die sie mit dem in Verbindung bringen konnte, was sie sah? Passierte in ihrem zerstörten Gehirn etwas, schwirrte dort etwas umher, etwas Vertrautes oder Geliebtes, eine Art magerer Trost? Jetzt nicht mehr, dachte er. Lange blieb er stehen und starrte die Tür an. Dachte, jetzt sehen sie mich vom Dienstzimmer aus, sehen, daß ich hier stehe und mich grause. Das ist zuviel für mich. Nicht nur das, sondern auch alles andere, was jetzt hochkommt, was vor langer Zeit passiert ist. Nein, nicht vor langer Zeit. Ihm kam es so vor, als sei es eben erst geschehen, als sei Elise ihm noch einmal entrissen worden. Aber hier lag seine Mutter, jetzt ging es um sie. Konnte er sich nicht ein letztes Mal auf sie konzentrieren? Schließlich ging er hinein. Aus irgendeinem Grund schaute er dabei auf die Uhr, sie zeigte 00.45. Die Tür ächzte, als sie ins Schloß glitt. Die Nachttischlampe brannte, aber der Schirm war zur Wand gedreht, so daß das Gesicht seiner Mutter im Schatten lag. An solche Dinge dachten sie, und das gab ihm Halt. Einen Moment lang staunte er darüber, wie normal sie aussah. Doch als er näher trat, sah er ihre

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