Dunkler Schlaf: Roman (German Edition)
da abläuft. Daß er in allerlei zweifelhafte Dinge verwickelt ist. Aber er lebt doch nicht mit dem Jungen zusammen, so wie ich!«
Damit hatte Skarre gerechnet. In letzter Sekunde unterdrückte er einen kleinen Impuls.
»Andreas ist ein feiner Junge. Wenn er überhaupt etwas angestellt hat, dann Dinge, wie alle Jungen sie anstellen. Die einfach dazugehören.«
»Was denn zum Beispiel?« fragte Skarre.
»Ein Fest ab und zu. Und Äpfelklauen«, erwiderte sie mürrisch.
»Äpfelklauen?« Skarre runzelte die Stirn. »Ein Junge von achtzehn?«
»Sie wissen schon, was ich meine«, murmelte sie.
»Eigentlich nicht.«
»Er hat diesen Kumpel. Zipp. Der heißt in Wirklichkeit Sivert Skorpe, aber er wird Zipp genannt. Die beiden sind dauernd zusammen. Ich kann sie ja nicht beschatten, und ich weiß nicht, was sie machen, aber ich habe keinen Grund zu der Annahme, daß es gefährlich sein könnte. Oder verboten.«
»Und der Vater ist da anderer Ansicht?«
»Um ehrlich zu sein: Ich weiß nicht genau, wie er das sieht.«
»Hat Andreas vielleicht mehr Kontakt zu seinem Vater, als Ihnen bekannt ist?«
»Sie meinen, daß er ihn heimlich besucht?«
»Er ist doch ein großer Junge.« Skarre lächelte. »Vielleicht erzählt er Ihnen nicht alles.«
»Das wissen die Götter! Aber zu Hause wohnen und bekocht werden, ja, das wollen sie.«
Sie bereute diesen Ausbruch sogleich und schlug die Hände vors Gesicht. Frau Winther war schön, doch ihren Händen war der Übergang zu etwas anderem anzusehen.
»Warum soll ich glauben, daß etwas nicht stimmt, wenn er mir nie etwas erzählt? Er steht morgens auf und geht zur Arbeit. Benimmt sich ordentlich. Geht abends aus. Ich weiß, daß er dann mit Zipp zusammen ist. Ich kenne Zipps Mutter, sie hat auch nichts zu klagen. Sie schauen sich Videos an. Fahren durch die Gegend, sehen den Mädchen nach. Zipp hat von seinem Vater ein altes Auto geerbt. Wenn sie Geld haben, gehen sie in die Kneipe. Kommen rein, obwohl das Mindestalter zwanzig ist. Andreas ist groß, eins fünfundachtzig.«
»So, so«, sagte Skarre. »Erzählen Sie von Zipp!«
»Der ist arbeitslos. Versucht auch gar nicht, Arbeit zu finden. Andreas bezahlt ihm das Bier. Ich begreife nicht, warum er das macht, er ist einfach zu nett.«
Skarre lächelte. Er hatte ein strahlendes Lächeln, aber jetzt beherrschte er sich, schließlich war die Lage ernst.
»Ich brauche eine Liste seiner Bekannten. Freundinnen, Kumpels, alle, die Ihnen einfallen.«
»Er ist nur mit Zipp zusammen«, sagte sie rasch.
»Aber er kennt doch noch andere Leute. Kolleginnen. Die Chefin.«
»Sie verstehen das nicht«, sagte sie. »Er ist nur mit Zipp zusammen. Wenn jemand etwas weiß, dann der.«
Skarre kämpfte gegen seine Ungeduld. »Ich brauche mehr Informationen, wenn wir nach ihm suchen sollen«, sagte er in einem plötzlichen Versuch, streng zu klingen. »Wie sieht es mit Freundinnen aus?«
»Im Moment hat er keine«, antwortete sie mürrisch.
»Ich nehme auch eine Verflossene«, sagte er lächelnd. »Wenn ich von dem Foto ausgehen darf, dann muß es doch im Laufe der Jahre eine ganze Reihe gegeben haben.«
Sie zuckte mit den Schultern. »Natürlich. Aber die Namen weiß ich nicht.«
»Keinen einzigen?« fragte Skarre verwundert.
»Er bringt sie nie mit nach Hause.«
»Ach.«
»Aber ich werde schon Leute finden, die ein gutes Wort für ihn einlegen, wenn es darum gehen sollte.«
»Das wäre ausgezeichnet«, sagte Skarre und notierte die Namen, die ihr einfielen. Zwei Stück. »Sie haben doch seinen Kumpel angerufen. Was hat der gesagt?«
»Der konnte mir nicht helfen«, sagte sie. »Aber sie haben den Abend zusammen verbracht.«
»Und wo?«
»Werden Sie nicht mit ihm sprechen?«
»Doch, natürlich. Ich frag ja nur.«
»Sie haben in der Kneipe ein Bier getrunken. Im Headline. Danach haben sie sich bei Zipp ein Video angesehen. Und das war wohl so ungefähr alles.«
»Und wann hat Andreas das Haus verlassen? Wissen Sie die Uhrzeit?«
»Sie sind nach dem Video noch in die Stadt gegangen. Einfach rumgelaufen.«
»Und in der Stadt haben sie sich auch getrennt?«
»Ja.«
»Und wo haben sie sich getrennt?« Skarre kniff die Augen zusammen und wartete.
»Also wirklich! Danach können Sie doch Zipp fragen«, sagte sie gereizt.
»Ich möchte wissen, was er Ihnen erzählt hat«, sagte Skarre. »Bitte. Lassen Sie mich meine Arbeit tun.«
»Aber ich begreife nicht…«
»Das spielt keine Rolle.« Er griff nach ihrer Hand.
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