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Dunkler Schlaf: Roman (German Edition)

Dunkler Schlaf: Roman (German Edition)

Titel: Dunkler Schlaf: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karin Fossum
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zu.
    »Und nach dem Film seid ihr wieder in die Stadt gegangen?«
    »Wir sind einfach rumgelatscht. Waren unten beim Fluß. Und oben bei der Kirche.« Er schluckte bei der Erinnerung an die Kirche.
    »Bei der Kirche? Warum denn das?«
    »Keine Ahnung. Ich bin hinter Andreas hergezockelt«, sagte Zipp nachdenklich. »Dann sind wir wieder in die Innenstadt gegangen. Einfach so rumgewuselt. Auf dem Marktplatz war noch der Bär los. Wir haben uns auf eine Bank gesetzt und gequatscht. Andreas mußte früh zur Arbeit, deshalb wollte er dann nach Hause. Wir haben uns so gegen Mitternacht getrennt.«
    »Wo?«
    »Auf dem Marktplatz«, sagte Zipp.
    »Auf dem Marktplatz?« Wieder nickte Skarre. Beherrschte sich; seine Miene sollte nicht verraten, was er dachte. Zu Andreas’ Mutter hatte der Junge gesagt, sie hätten sich in der Thornegata getrennt. Warum log er?
    »Und Andreas. War der wie immer?«
    Zipp zuckte mit den Schultern. »Genau wie immer. Und mehr weiß ich nicht. Ich bin dann nach Hause gegangen und habe geschlafen.«
    »Wie hast du erfahren, daß er nicht nach Hause gekommen ist?«
    »Ich habe bei ihm im Laden angerufen. So gegen elf.«
    »Was wolltest du von ihm?«
    »Einfach nur ein bißchen reden.«
    »Du rufst ihn also ab und zu zum Reden an?«
    »Ich wollte mir ein paar CDs ausleihen«, erklärte Zipp.
    Skarre schaute zu den Plakaten hinüber. »Du weißt nicht, ob Andreas irgendwelche Sorgen hatte? Hat er dir etwas erzählt?«
    Zipp zählte die Kippen im Aschenbecher. Nein, sag es noch nicht! Nur, wenn noch mehr Zeit vergeht und er nicht wieder auftaucht.
    »Nichts, was mit dieser Sache zu tun hätte«, sagte er endlich.
    »Na gut. Du kennst ihn. Ich muß dir also glauben. Es kann ja auch ein Mädchen im Spiel sein«, meinte Skarre.
    »Ein Mädchen? Ja, vielleicht.«
    »Aber ansonsten kennst du die Leute, mit denen er zu tun hat? Ich brauche Namen. Noch andere, mit denen ich reden kann.«
    »Er ist nur mit mir zusammen.«
    »Und die Kollegen aus seinem Laden?«
    »Mit denen trifft er sich nicht in seiner Freizeit. Außer mir gibt es nur noch diese Künstlerin«, sagte Zipp zögernd.
    »Diese Künstlerin?«
    Zipp wußte nicht so recht, ob er weiterreden sollte. Aber es tat gut, etwas erzählen zu können. Und es war doch möglich, ja, wenn er nun einfach bei ihr war, mitten in irgendeiner wilden Orgie! Um sein Alibi zu pflegen!
    »Einmal pro Woche geht er zu einer Künstlerin. Die malt ihn«, preßte er hervor.
    Skarre starrte ihn aufmerksam an. »Weißt du ihren Namen?«
    »Nein. Aber sie wohnt ganz oben am Hang, glaube ich. In einem alten grünen Haus. Sagt Andreas.«
    »Du kennst ihn schon lange?«
    »Seit der ersten Klasse.«
    »Und du hast das Gefühl, ihn wirklich zu kennen?«
    Herrgott, ich dachte, ich kenne ihn.
    »Wenn er nicht sehr bald wieder auftaucht, werden wir noch einmal mit dir sprechen müssen«, sagte Skarre.
    »Ja.« Zipp sprang vom Sofa auf. »Und wenn mir noch etwas einfällt, rufe ich an.«
    Skarre musterte ihn ausgiebig. So lange, daß Zipp sich schließlich wand. Er versuchte, die Hände in die Taschen zu stecken, aber seine Hose war zu eng. Als es vorbei war, legte er sich aufs Sofa und starrte die Decke an. Dort gab es nichts, das seinen Blick festhalten konnte, deshalb schloß er die Augen und versuchte eine Erklärung zu finden. Er hörte nicht, wie seine Mutter die Treppe heruntergeschlichen kam. Ahnte sie nur durch die geschlossenen Lider hindurch wie einen Schatten. Richtete seinen Blick auf ihren Kopf. Mit ihrem weißen Trainingsanzug und dem roten Kamm erinnerte sie ihn an eine fette Henne. Jetzt spitzte sie die Lippen.
    »Ich kenne dich doch. Was geht hier eigentlich vor?«
    Ich kenne dich doch! Wie er diesen Spruch haßte! Er sprang auf, zwängte sich an ihr vorbei, riß seine Jacke an sich und stürzte aus dem Haus. Lief zur Hauptstraße und weiter zum Marktplatz. Schaute nicht nach links oder rechts, bohrte die Hände in die Jackentaschen. Wenn er diesen Weg noch einmal ginge, dann würde er begreifen. Er kam vorbei an Optiker, Fahrradladen und Park. Mit langen Schritten stieg er den Hang hinauf. Die Oma hatte ihn nicht gesehen, sie würde ihn nicht wiedererkennen. Er näherte sich dem Haus. Starrte vor sich hin, wurde langsamer, musterte die Fenster. Konnte nichts sehen. Im Schutz der dichten Hecke ging er weiter. Ein Stück weiter oben blieb er stehen. Schob den Kopf so tief wie möglich in die Hecke, drückte stechende Zweige zur Seite. Das Haus sah ganz normal aus.

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