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Dunkler Schlaf: Roman (German Edition)

Dunkler Schlaf: Roman (German Edition)

Titel: Dunkler Schlaf: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karin Fossum
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»Beantworten Sie einfach meine Fragen«, sagte er eindringlich.
    Blitzschnell zog sie die Hand zurück und fing an zu schluchzen. »Sie haben sich gegen Mitternacht getrennt. Ich glaube, er hat Mitternacht gesagt. Ich habe ihn gefragt, wo, und er sagte Thornegata. Irgendwo in der Thornegata. Ich begreife nicht, was sie dort zu suchen hatten. Wir wohnen ganz woanders und Zipp auch.«
    »Danke«, sagte Skarre. »Und weiter. Gefällt ihm seine Arbeit?«
    »Ich weiß nicht so recht.« Sie zögerte. »Ein Eisenwarenhandel ist ja nicht die Welt. Aber diese Stelle hat er nun einmal bekommen. Vom Arbeitsamt. Eigentlich würde er lieber in einem Musikgeschäft arbeiten, aber in der Branche war nichts zu finden. Ich glaube auch nicht, daß sie sich große Mühe gegeben haben; sie haben seine Wünsche notiert, aber das hat ja nichts zu sagen. Die jungen Leute müssen nehmen, was ihnen angeboten wird.«
    »Für einen Achtzehnjährigen, der seine erste Stelle antritt, könnte ich mir unangenehmere Dinge vorstellen als einen Eisenwarenladen«, meinte Skarre.
    »Was denn?« fragte sie prompt.
    »Ersparen Sie mir die Aufzählung«, bat er. »Hatte er jemals etwas mit Drogen zu tun?«
    »Nein. Und sagen Sie jetzt bitte nicht: ›Das behaupten alle.‹«
    »Das werde ich nicht sagen. Soweit Sie wissen, ist das also nicht der Fall?«
    »Nein.«
    Skarre schrieb. Er dachte darüber nach, wie er sich selbst verhalten würde, wenn er jemals Kinder bekommen sollte. Ob er dann auch restlos den Überblick verlieren würde.
    »Wie lange kennen Zipp und Andreas einander schon?«
    »Seit der ersten Klasse. Zipp war nicht besonders gut in der Schule und außerdem dick. Er sah aus wie eine viel zu pralle Bratwurst.« Sie lächelte plötzlich. »Andreas hat ihn unter seine Fittiche genommen. Daß sie so eng befreundet sind, hat mich oft gewundert, sie sind so unterschiedlich.«
    »Mögen Sie Zipp?« fragte Skarre.
    Sie dachte nach. Sah den widerspenstigen blonden Schopf vor sich. »Ja«, sagte sie dann einfach. »Er hätte schlimmere Freunde finden können.«
    »Gut. Macht Andreas den Eindruck, daß er mit seinem Leben zufrieden ist?«
    »Ihm fehlt nichts. Wenn er unglücklich wäre, dann wüßte ich das.«
    »Und Sie und Ihr Sohn – haben Sie ein gutes Verhältnis zueinander?«
    »Zu einem Jungen in dem Alter kann keine Mutter ein gutes Verhältnis haben. Was man auch tut – Jungen in dem Alter wollen einfach auf alte Weiber nicht hören. Irgendwann werden sie schon noch verstehen, was ich meine.«
    »Sagen wir also, er macht einen zufriedenen Eindruck.«
    »Zufrieden mit seinem Leben. Nicht mit mir«, korrigierte sie verbittert.
    Im Grunde bin ich naiv, dachte Skarre. Ich hatte gehofft, daß mich im Leben noch allerlei Gutes erwartet. Aber das scheint nicht zu stimmen.
    »Hat sich sein Verhalten in letzter Zeit geändert? Ist Ihnen irgend etwas aufgefallen?«
    »Nein, nicht daß ich wüßte.«
    »Was hatte er bei sich, als er aus dem Haus ging?«
    »Brieftasche und Zigaretten. Aus seinem Zimmer fehlt nichts.«
    Skarre schaute auf.
    »Meines Wissens jedenfalls nicht«, fügte sie hinzu.
    »Ich werde zu seinem Freund fahren und mit ihm sprechen. Sie bleiben zu Hause, in der Nähe des Telefons.«
    Skarre hatte ein seltsames Gefühl, als sie aufstand und ging. Irgendwas stimmte mit dieser Frau nicht, mit allem, was sie nicht sagte. Wer war Andreas Winther? Ihm wurde klar, daß er das nicht ansatzweise wußte. Kurz danach verließ er das Zimmer und ging zu Sejers Büro. Die Tür war verschlossen. Verwundert steckte er den Kopf durch Holthemanns Tür.
    »Konrad?«
    Holthemann schob seine Brille höher. »Der kommt heute ein bißchen später.«
    Skarre starrte ihn verdutzt an. So etwas kam einfach nicht vor. »Irgendwas passiert?«
    »Seine Mutter. Ist heute nacht gestorben.«
    Bei dieser Auskunft nickte Skarre ernst. »Wir sollten wohl Blumen schicken?«
    Der Abteilungsleiter runzelte die Stirn. »Ich weiß nicht so recht. Müssen wir das? Sie war schon ziemlich alt.«
    Skarre drückte sich noch eine Weile in der Tür herum. Nein, es war nur recht und billig, daß Leute in diesem Alter starben, wie alt auch immer sie gewesen sein mochte, vielleicht hoch in den Achtzigern. Damit mußten erwachsene Menschen fertig werden. Kein Grund, großes Geschrei zu machen.
    »Ich kümmer mich«, murmelte er und ging.
     
    Der Ernst umhüllte ihn wie ein tückischer Nebel, der aus dem Meer aufsteigt. Ein Polizist auf der Treppe! Zipp lächelte tapfer. Der Ausdruck

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